Freitag, 31. Oktober 2014

Clemens muss weg, der Sommer ist vorbei!

Premiere auf meinem Blog: Eine neue Schreiberlingin feiert hier ihr Debüt. Heißen Sie mit mir zusammen herzlich willkommen: LORE PING!
Applaus --- Applaus ---  Applaus --- Applaus --- Applaus --- Applaus --- Applaus

Ich gähne herzhaft. Das Licht ist an, immer diese blöde flackernde Leuchtstofflampe. Und es ist laut. Alle vier sind diesmal hier. Der Junge ist oft auch allein hier, er hängt still die Wäsche auf und holt sie auch wieder ab. Das Mädchen ist kleiner und nicht so oft allein hier. Sie erzählt immer viel und quietscht dabei vor Vergnügen, nur morgens nicht, wenn sie ihr Fahrrad holt und zur Schule fährt.

Der Typ grummelt grad wieder rum und die Frau zetert. Ich rolle mit den Augen, ich kenne die Szenen schon, sie wiederholen sich. Das höre ich auch noch, wenn das Licht schon längst wieder erloschen ist. Aber nun zeigt sie auf mich! Was ist mit mir? Ist es soweit? Jaaaa, sie zerren mich aus meiner Ecke. Oh, Helena ist auch wach. Sie hat ganz schön laut geschnarcht, aber musste auch einiges ertragen. Ich stand jetzt ein paar Monate auf ihrem Fuß. Sorry, Helena!

Wir werden samt Fußstützen die Treppen hochgetragen. Hey, weiter! Nicht vor der Wohnungstür abstellen! Ich will raaaus!!! Ja okay, ich bin von der ungeduldigen Sorte und sensibel bin ich auch. Ich mag nicht, wenn sie mich Rehlein nennen, ich bin doch ein Mann. Nunja, ich trage das Braun wie ein Reh und es ist lange her, dass ich wie neu strahlte. Aber trotzdem! Ich bin kein Rehlein!! Ach ja, darf ich mich vorstellen? Ich bin Clemens, der Gartenstuhl.


So, nun bin ich doch draußen auf dem Balkon. Ich räkle mich und strecke mich, die Sonne wärmt mich durch. Hach, ist das schön. Mir gegenüber steht Helena. Das freut mich, kuscheln mit ihr war nicht schlecht, aber lieber schau ich sie den ganzen Tag an. Sie schaut auch ganz glücklich und zufrieden drein.

Hey, nicht so doll und nicht beide gleichzeitig, das tut mir weh! Die Kinder turnen auf mir herum, ich wackle. Die Mutter schimpft kurz, damit die Kinder aufhören. Danke! Der Junge bekommt den Auftrag, mich feucht abzuwischen. Er macht es, wenn auch nicht voller Elan.

Die Kleine steht schon mit Kissen hinter ihm, eins bekomme ich auf meinen Schoß. Und schwupps, sitzt die Mama auf mir und amüsiert sich, dass sie die Erste ist. Der Junge setzt sich wie ein Flitzebogen auf Helena und grinst. Die Kleine schmollt nicht, sondern sucht sich Mamas Schoß. Die beiden auf mir sind so herrlich leicht, da kann ich trotzdem gut entspannen.

Und diese Ruhe, nur die Vögel zwitschern wie wild.  Ich döse ein wenig. Es grummelt. Aber diesmal ist es nicht der Typ. Wo ist der eigentlich? Den sehe ich durch die Scheibe. Er sitzt drinnen und scheint beleidigt zu sein. Komm doch raus, es ist tolles Wetter! Ich zucke zusammen, es grummelt schon wieder.  Der Junge zeigt nach oben, jetzt sehe ich es auch, da kommen ganz dunkle Wolken.

Die Mama ist noch völlig entspannt. Der Typ schaut raus und fragt etwas. Langsam erheben sich auch meine beiden „Besitzer“. Mir und Helena werden die Kissen wieder weggenommen und wir werden allein gelassen. Die Tür ist zu. Nun können wir wieder von draußen das Treiben drinnen beobachten.

Der Tisch wird gedeckt. Sie werden sich gleich setzten und sich etwas in ihre Köpfe schieben. Kenne ich schon. Schon komisch, diese Zweibeiner. Einmal wird noch kurz die Tür geöffnet und die vergessenen Schuhe reingeholt. Das riecht aber lecker. Vorbei.

Ich döse wieder ein wenig. Bis ... bis … bis … igitt, ist das nass! Und laut. Helena kreischt, sie hat sich erschrocken. Ich versuche sie zu beruhigen. Das kurze grelle Licht, das durch den Himmel zuckt, wird uns nichts tun, sage ich, bin mir da aber selbst nicht ganz sicher. Wir halten tapfer durch und siehe da, es wird wieder hell und warm.

Und so geht das hier tagein tagaus. Manchmal ist es schon fast zu warm. Nachts friert Helena ganz oft, aber ich bin zu weit weg, um sie zu wärmen.

Ein paar Wochen später ist schon wieder ganz schön viel los um uns herum. Wir werden zusammengeklappt und wieder hingestellt. Hä? Oh ja, ich spüre es und es knistert. Ich hab so etwas Bedrucktes unter meinen Füßen. Was passiert hier?

Autsch! Nicht so doll! Du rubbelst mir doch mein ganzes Holz weg! Ich fühle mich nackt! Helena
jammert, ihr geht es nicht anders. Ich begreife noch nicht ganz, was hier passiert. Huch! Hihi … haha ... Hört auf, das kitzelt! Ich werde gestreichelt. Aber das klebt. Das klebt an mir fest. Die zweite Runde spüre ich aber nicht mehr so intensiv. Oh wow, ich glänze, wie neu. Ich würde mich am liebsten einmal um mich selbst drehen. Und Helena strahlt genauso. Wie hübsch sie doch ist!

Ich bin soooo glücklich, dieser Sommer ist ein toller Sommer! Nur ist er viel zu schnell vorbei. Helena und ich werden immer öfter allein gelassen. Außerdem werden die Tage wieder kühler. Und die Nächte erst. Helena friert seit dem Glanz auf ihrem Holz nicht mehr ganz so doll. Trotzdem jammert sie wieder häufiger, ihr ist wirklich kalt.

Hmmm … was ist das, kommt der nächste Sommer? Hab ich den Winter verschlafen? Gibt es keinen Winter mehr? Es ist verdammt warm. Aber die Nächte, die Nächte sind immer noch so frostig.



Ich habe mich geirrt, ein letztes Mal können wir das Treiben um uns herum beobachten und die auf uns turnenden Kinder spüren. Dann heißt es plötzlich: Gartenstuhl muss weg,  der Sommer ist vorbei!

Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Wir beide, Helena und Clemens sind gemeint. War es das jetzt? War das unser letzter Sommer? Ich sehe es Helena an. Sie denkt das Gleiche. Ihre Augen sind vor Schreck geweitet und füllen sich mit Tränen.

Dann packen sie uns … Der Typ trägt uns beide. Und die Kinder je eine Fußstütze.  Aber sie behandeln uns vorsichtig. Nun hoffe ich doch noch und … bin erleichtert, wir landen wieder im Keller. Hey, alter Schlafplatz! Und diesmal werden wir sogar in eine Decke gewickelt, Helena und ich, zusammen. Es ist schön, dass ich Helena wieder so nah bin, denke ich noch und falle in einen tiefen und erholsamen Schlaf.

Bye Bye Sommer, bis nächstes Jahr!

Fotos: Ichnicht  (macht auf Clemens Pause ... Sonne scheint)

1 Kommentar:

  1. Schön, dass Clemens und Helena dieses Jahr überhaupt gebraucht wurden. Wo ich meine Tante Anfang Juli in Anif (Das liegt bei Salzburg) besucht habe, hatte sie ihre Gartenmöbel gerade erst herausgeräumt (Sahen jedenfalls noch sehr unbenutzt aus) - und so wie es dann weitergegangen is, wird sie sie wohl auch nachher nicht viel benutzt haben ...
    Liebe Grüße
    Yvonne

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