Freitag, 16. Januar 2015

Wo, bitte, ist dein Rucksack?

Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen. Wenn einer eine Reise mit Kleinkindern macht … braucht er mitunter nicht vorhandene Kondition.


Sommerzeit, Urlaubszeit … 
In unserem Fall beendet und wir befinden uns bereits auf der Rückreise nach erquickenden drei Wochen Mallorca in privater Obhut. Aus Kostengründen fliegen wir Ryanair, also jene Fluggesellschaft, die nur Holzklasse ohne Platzkarten verkauft. Für Priority Boarding kann man einen Aufschlag von ein paar Euronen zahlen und sich dann in die Schlange drängeln, die zuerst in den Flieger durchgewunken wird. Da diese Schlange im Laufe der Zeit immer länger geworden ist, macht das auch nicht mehr wirklich Sinn. Und wenn man dann auch noch im Bus über das Rollfeld kutschiert wird, ist dieses Unterfangen völlig hirnrissig.

Ich schlendere wie eine Entenmami mit zwei kleinen watschelnden Küken im Schlepptau über den riesigen Flughafen von Palma, immer dicht an den Futterangeboten vorbei. Hin und wieder blicke ich mich um und prüfe, ob noch alle hübsch in der Reihe laufen und lauere auf den ersten Schrei der Küken nach Nahrung. 
Und da ist er auch schon: „Mama, ich hab Hunger!“

Also halten wir. Es gibt  völlig überteuerte Käsebaguettes. Die kann man bei Nichtverzehr auch gut mit in die Holzklasse nehmen. Das Essen, welches sie dort servieren, ist eh nicht genieß- und bezahlbar.

Nach kurzer Pause machen wir uns dann in erprobter Formation, Entenmami vorweg, auf den Weg zum Gate. Dort angekommen stellen wir uns schnell vorne in die Reihe ohne Priority-Aufschlag und warten auf das Boarding. So können wir einigermaßen sicher sein, drei Plätze nebeneinander zu ergattern.

Just als das Boarding beginnt, fällt mir auf, dass mein Flummi auf einmal keinen Rucksack mehr hat. „Wo, bitte, ist eigentlich dein Rucksack?“
Der kleine Kerl hebt hilflos die Schultern und ich kann sehen, wie es hinter seiner Stirn anfängt zu rattern. Er hat ihn abgenommen, als wir die Baguettes angekaut haben! Ich zucke ratlos die Schultern und frage meinen Flummi: „Und nu?“
Als hätte er jetzt die ultimative Idee auf Lager. Ich sehe, dass sich seine Augen mit Wasser füllen und arbeite im Geiste fieberhaft an einem Plan, während wir die Maschine besteigen. Sein alles geliebter Miezer ist in dem Rucksack. Er kann nicht ohne ihn schlafen. Das geht nicht … das geht so nicht!

Flink stopfe ich die Kinder in eine freie Reihe, befehle ihnen, sich nicht zu rühren und stürze hektisch aus dem Flugzeug. Verdutzten Stewardessen schleudere ich entgegen, ich wäre gleich wieder zurück und sie sollten um Gotteswillen unter keinen aber auch GAR KEINEN Umständen ohne mich fliegen. Dann rase ich los … in Flip Flops … quer über den ganzen Flughafen Palmas.

Erwähnte ich bereits? Ich hasse Joggen! Wenn der liebe Gott gewollt hätte, das ich mir die Hacken abrenne, hätte ich doppelt so lange Beine. Aber heute laufe ich. Das gleichmäßige laute Klatschen meiner Sohlen auf den Steinboden des Flughafens ist mein Rhythmus. Ich laufe … laufe … laufe. An zur Seite spritzenden Reisenden vorbei. An Shops. Über Laufbänder. Bis ich zu der Stelle komme, an der wir vor einigen Minuten noch saßen. Natürlich ist da kein Rucksack mehr. Ich stehe schweißgebadet und nach Luft ringend da und starre ungläubig auf die leere Bank. Dann drängle ich mich kurzentschlossen  an der Kasse vor und radebreche in Spanglish mein Begehr. Die Dame an der Kasse ist so freundlich, jemanden zu rufen, der vielleicht wissen könnte, ob … Und dieser Jemand weiß tatsächlich, verschwindet allerdings in spanischer Ruhe hinter den Kulissen, um nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich es schaffe, aus Nervosität vollständig alle Finger- und Fußnägel abzukauen, mit dem Rucksack wieder aufzutauchen.

Wieder füllt das Klatschen meiner Sohlen die Gänge des Flughafens. Ich laufe … laufe … remple … entschuldige mich ... laufe … und stürze völlig außer Atem in den Flieger, der natürlich nur noch auf mich wartet. Hinter mir fliegt die Tür zu. Hey! Mein T-Shirt ist eingeklemmt! Tür wieder auf. Loch im Shirt. Mistkacka! Die Stewardess guckt angestrengt auf das, was ihre Finger tun und bemüht sich mein T-Shirt zu ignorieren. Olle Zippe!

Dann sehe ich eine Menschentraube um eine Sitzreihe. Alle reden durcheinander, sichtlich bemüht dabei beruhigend mit dem Kopf zu nicken. Wie eine Horde Wackeldackel. Als sie mich sehen, entspinnt sich ein Kanon: „Ja … da ist ja die Mama schon ... Ja, die Mama ist ja da!“ Ich kann gerade noch widerstehen, mit einzustimmen, kämpfe mich durch und sehe meine völlig in Tränen aufgelösten Flöhe, die sich ängstlich in die Polster drücken. Auf Ansage der T-Shirt-Mörderin verläuft sich die Menschentraube im Nu. Kurze Wege im Flugzeug machen es möglich. Meine beiden Flöhe recken ihre Ärmchen in die Luft und hängen -zack- wie Koalabären an mir. Eigentlich bräuchten wir jetzt nur noch einen Sitz.


Für die Zukunft: 
Nach dieser Erfahrung trägt keines meiner  Kinder mehr einen Rucksack über einen Flughafen. Wir nehmen jeder einen Hackenporsche. Die sind groß genug, dass es bestimmt auffällt, wenn eines dieser Teile verschwindet. Und ich werde auch gewiss nicht wieder in Flip Flops reisen ... man weiß ja nie.


Fotos: Ichnicht (schielt argwöhnisch auf meine Fußnägel ... Er glaubt aber auch alles!)

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