Montag, 16. Februar 2015

Flitzkacke am Dampfen


Frischgeschlüpfte Babys sind vollkommen. Keine Schramme. Keine Beule. Kein Blut. 
Im besten Falle auch nicht krank. Sie sind noch komplett unverletzt und das sollen sie auch so lange wie möglich bleiben. Wenn sie sich dann den ersten Kratzer oder das erste Hörnchen zuziehen, leidet das Mutterherz ganz fürchterlich. Wenn meinen Ablegern etwas fehlt,  habe ich für meinen Teil bis heute meist Phantomschmerzen oder auch Phantomübelkeit. Schlimm!

Mein Flummi ist erst drei Monate alt und ich bereits daran gewöhnt, dass er Milch in kleinen Sturzbächen wieder erbricht. Er ist laut Hebamme ein Spei-Gedeih-Kind ... oder so. Bedeutet: er trinkt Unmengen an Milch und die Hälfte läuft oben wieder aus dem Kind.

Heute scheint es anders zu sein. Die Sturzbäche werden zu Flüssen. Das Kind glüht. Und langsam frage ich mich, ob in diesem Kind überhaupt noch ein Quäntchen Flüssigkeit sein kann. Es macht mir Angst. 
Er ist doch noch so klein ... und so heil ... und so neu ...
Er KANN noch gar nicht krank sein!

Im Geiste gehe ich alle meine Schandtaten durch. Wo können wir uns etwas eingefangen haben? Wir waren vorhin draußen. Er hat seine erste Katze gestreichelt. War das falsch? Aber schließlich gibt es ja auch noch so etwas wie Inkubationszeit. Fünf Stunden sind da verdammt kurz. Unten sitzt die halbe Verwandtschaft im Wohnzimmer meiner Eltern. Alle kerngesund und munter. Wo lauern diese miesen Magen-Darm-Viren? Wer hat sich nicht die Hände gewaschen? Ich finde keine schlüssige Antwort.

Die Nacht wird unruhig und kurz. Inzwischen ist auch in der Windel Party. Wir fahren im strahlenden Sonnenschein und ungewöhnlicher Hitze im Mai von der Ostsee nach Berlin. Diese Nacht verbringe ich mit Stillen -Flummi verweigert jeden Tee, aber Flüssigkeit muss irgendwie ins Kind-, Windeln wechseln und Wadenwickeln. Am nächsten Morgen geht´s in aller Frühe zum Kinderarzt. Dieser wirft einen Blick auf das immer noch fiebernde Kind, baut auf Flummis nacktem Bauch eine Hautfalte, die eindeutig zu lange braucht um sich zu glätten. Ein eindeutiges Indiz für den Flüssigkeitsverlust. Er schickt uns kurzerhand ins Krankenhaus. Mir dreht sich jetzt endgültig der Magen um. Das gehört so nicht!

Wir verbringen zwei Tage im Krankenhaus. Mein Flummi wird an einen Tropf gestöpselt. 
Kind noch mehr kaputt! Mein Mutterherz blutet.
Über den Tropf wird Flummis Flüssigkeitshaushalt dermaßen aufgepeppt, dass seine Augenlider anschwellen und mein inzwischen wieder ganz passabel gelauntes Kind  ziemlich Mühe hat, die Augen offen zu halten, obwohl er die meiste Zeit geschlafen hat. 
Kommentar des medizinischen Personals: „Oh! Jetzt hat er wohl genug.“   

Sein Erbrechen ist wieder auf ein normales Spei-Gedeih-Kind-Level zurück und das Fieber gesenkt. Wir dürfen heim.
Voller Begeisterung ob der wieder gewonnen Freiheit und der offensichtlich gut voranschreitenden Genesung meines Sohnes, muss ein Seelenstreichler her. Wir halten an einem Spielzeugladen. Gutes Holzspielzeug soll es werden. Im Kinderzimmer ist in Sachen Spielzeug ja quasi noch Ebbe. Wir entscheiden uns für eine kleine Figur, auf die sich Ringe stapeln lassen und ein Holzschäfchen, das sich den waschbaren Pelz ausziehen lässt. Hygienische Aspekte feiern in meiner Welt nach den bekloppten letzten Tagen Hochsaison.

An der Kasse, wir haben gerade bezahlt, murmelt der Enddarm meines Flummis in seinem sommerlichen kurzen Einteiler hörbar irgendetwas vor sich hin. Ich halte mein Kind vor mir in die Luft und möchte gerade vorsichtig an der Windel schnuppern, als es an allen Seiten aus selbiger geschossen kommt: säuerlich riechende Flitzkacke! 
Und wie sie flitzt!
Mütter sind ja hart im Nehmen, wenn es um die eigene Brut geht. Alle anderen Leute in meiner Nähe springen mit angewiderten Gesichtern zur Seite. Ich möchte mit Kind am ausgestreckten Arm gerne hier im Teppichboden versinken.
Teppichboden?!
Ausgerechnet dieses Geschäft hat auch noch Teppichboden!

Ich sehe noch, wie sich die Augen der Dame hinter dem Tresen weiten, bevor sie nach ihrem Mann schreit. Dieser kommt auch flink mit Eimer und Tuch gelaufen und wirft sich schrubbend auf den Boden. 
Schön, so ein funktionierendes Familienunternehmen.

Ich sprinte mit Kind auf die Straße. In Berlin, wo man täglich Slalom um Hundehaufen läuft, macht Babykacke den Kohl schon nicht fett. Mein Flummi sieht nur stumm und staunend aus seiner Leuchtturmposition auf seine Mutter und seine gebräunten Beine herab. Und ich werde nicht müde, eine Entschuldigung nach der anderen in den Laden zu rufen. Alles nickt verständnis- und huldvoll, bis ich endlich begreife, dass man mir die explodierte Windel nicht nachträgt. 

Dann kann ich zum Auto laufen, um mein Kind zu putzen. Ich werde Millionen von Feuchttüchern brauchen. Aber nur ein sauberes Kind ist ein gutes Kind.

Foto: Ichnicht (desinfiziert intensiv sich und seine Kamera ... Schisser bleibt eben Schisser)

2 Kommentare:

  1. Ich bin mal wieder begeistert, nicht wegen der (doch unangenehmen) Flitzkacke, sondern von deiner unnachahmlichen Erzählkunst. Ganz großes "Kino", besser kann man nicht unterhalten werden.
    Vielen Dank
    LG Ede

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    1. Es freut mich sehr, wenn ich unterhalte und das ein oder andere Lächeln ins Gesicht zaubern kann.
      Vielen Dank für das dicke Lob!
      LG
      Rike

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