Dienstag, 16. Januar 2018

Dubrovnik

Nachdem wir die erste Station unseres Urlaubs in Kroatien bereits hinter uns haben, kommen wir mit unendlicher Verspätung in Dubrovnik an. Ich dumme Nuss hatte doch tatsächlich nicht auf der Uhr, dass zu Bosnien und Herzegowina zwei Millimeter Küste gehören und man deshalb durch zwei Grenzkontrollen muss, die kurz hintereinander liegen. Witzig an dieser Geschichte, nur ein Kontrollposten ist scharf darauf, die Pässe der rollenden Kolonne zu inspizieren. Raten Sie mal, welcher! Und das dauert eben. Per Message kündigte ich unsere Ankunft deshalb in regelmäßigen Abständen um eine Stunde später an.

Und jetzt stehe ich mit Moppelkotz in der Ul. Andrije Hebranga, mitten in Dubrovnik, und brülle mein Navi an, dass die Kinder hinter und neben mir zusammenzucken. Bevor meine Stirn aufs Lenkrad sinkt, beiße ich in selbiges. Dieses Mistvieh von TomTom will einfach kein GPS mehr empfangen. Und überhaupt ist das Ding so alt, dass wir in seiner Welt die letzten  Stunden über reines Ackerland gefahren sind. Die Sreserska Ul. samt Apartment muss doch aber hier irgendwo sein!

Ich entscheide mich für einen Anruf bei der Vermieterin und höre meine eigene Stimme einigermaßen hilflos ins Telefon quengeln, dass ich gar nicht weiß wo ich bin, in eine Pizzeria starre, aber das Gefühl habe, in der Nähe ihres Apartments zu sein. Sie meint, sie würde ihren Sohn schicken, um uns zu lotsen, Und er wäre in nullkommafünf Minuten bei uns. Was er auch tatsächlich ist.

Er ist nicht nur bei uns, sondern auch sechzehn, redet ähnlich viel wie der Flummi und quetscht sich kurzerhand auf die Rückbank neben die Murmel, die schnell alle Luft aus ihrem Körper lässt, sich gegen Taschen, Flaschen, Hüte, den Picknickkorb, Taschen und Taschen auf der Seite hinter mir lehnt, bis sie nahezu wagerecht über allem liegt und mich dabei mit gerunzelter Stirn durch den Rückspiegel ansieht. Ich zucke die Schultern und warte einfach, ob die Tür noch zu geht. Passt. 

Wir folgen seinen gemurmelten Anweisungen. Wenn ich sie nicht verstehe, frage ich nach oder setze einfach das Auto im Blindflug zurück. Denn hinten rausgucken kann ich nicht mehr, da liegt ja die Murmel quer. Bis wir in einer Straße ankommen, in der -nach deutschem Ermessen- kein Gegenverkehr möglich ist. Wir parken zwei Millimeter an einer Mauer mit eingeklapptem Spiegel. Und dann steigen wir den restlichen Weg Treppen. Kein Wunder also, dass diese Straße in der entsprechenden Verkehrsordnung nicht erwähnt wird. 

Im Apartment angekommen verabschiedet sich unser Helfer und kündigt seine Mutter in einer Stunde an. Okay. Wir sehen uns solange um. Unsere Behausung ist noch relativ neu und geschmackvoll modern eingerichtet. Zur Begrüßung steht eine Flasche heimischen Rotweins in der Küche, die als sie in meinen Blick fällt, automatisch die Mundwinkel noch weiter Richtung Ohren ziehen lässt. Während die Ableger  über die Bettenverteilung diskutieren, nehme ich das Bad in Augenschein. Klein aber fein. Klein. Zu klein für eine Waschmaschine. Aber ich buchte doch ein Behausung mit Waschmaschine! IMMER buche ich Urlaubsdomizile mit elektronischer Waschmöglichkeit. Das spart nämlich eine Menge Klamotten und schafft Platz für Krams, den man brauchen könnte aber trotzdem nicht braucht. Steht das Gerät vielleicht irgendwo in der Küche? Nein. Keine Waschmaschine. 

Also warten wir wohl besser mal, was die Hausherrin dazu meint. Es dauert auch nicht lange, bis eine Menge Temperament gefolgt von einer kleinen zierlichen Frau vor ihrer und temporär unserer Tür stehen und wieder zu Einem verschmelzen. Sie hat viele Informationen aber leider keine Waschmaschine für uns. Denn die wohnt nebenan im Apartment und dieses ist a) ohne Terasse b) für vier Personen und c) bis morgen und dann irgendwie auch wieder neu vermietet. Das hatten booking.com und ich wohl anders verstanden. Oder ich, weil booking.com? Egal. Es ist wie es ist.

Die temperamentvolle kleine Frau heißt Marija und bietet mir an, zu helfen. Ich könne ja ihr die Wäsche in einen Korb werfen und sie würde sie in ihre Waschmaschine stopfen und mir nach vollbrachter Tat wiederbringen. Verlockendes Angebot. Wenn da nicht die Unterwäsche wäre. Das ist schon ein wenig peinlich. Aber ich danke für das Angebot und nehme vorerst an. 

Am nächsten Morgen wache ich auf, weil das Apartment nebenan lautstark zum Leben erwacht. Man packt und räumt. Irgendwann ist es still. Zeit, dass ich mich aufraffe und Futter für die Brut besorge. Die liegt noch einigermaßen müde um mich herum auf die übrigen Betten verteilt. Ich nehme kurz die Bestellung auf und versuche im Supermarkt zu finden, was mir aufgetragen wurde.

Supermarkt in Dubrovnik mit Mitarbeiterin des Monats

Zurück mit der Beute -nein, ohne Katze!- stehe ich vor der Tür und starre auf das andere Apartment. Da sich die Tür nicht beschwören lässt, werde ich wohl Hand anlegen müssen und versuche, ob wie so oft nach Auszug, die Tür noch offen und der Schlüssel von innen ins Schloss gesteckt ist. Ich habe Glück. 

Während ich mit dem entrückten Blick eines Einhorns nach Genuss einer anständigen Portion Vergorenem einen kleinen Plan schmiede, reißt die Murmel frohen Mutes die Tür auf, um mich überschwänglich zu begrüßen. Oder aber auch nur, um mir alles Essbare abzunehmen. Wer weiß das schon so genau. Sie erstarrt, als sie mich mit der offenen Tür der ausgezogenen Nachbarn in der Hand sieht.
"Mama, WAS machst du da???"
"Ich denke nach." 
"Darfst du das?"
"Nachdenken?"
"Nein! Da rein!?"
" ... naja ... da wohnt ja jetzt gerade keiner. Ich überlege, ob wir uns mal kurz die Waschmaschine ausleihen können. Marija ist den halben Tag arbeiten und hier noch nichts geputzt. So zieht hier mit Sicherheit niemand neues ein. Aber lass uns mal frühstücken."

Die Ableger decken den Tisch und ich nutze die Gunst der Stunde und verschwinde mit ein paar Sachen unterm Arm nebenan und befülle hektisch den Waschautomaten. "Wenigstens die Unterwäsche ..." murmle ich dabei leise.







Die Terasse auf der wir nun unser ersten Frühstück einnehmen ist großartigerweise so angelegt, dass man das umliegende Terrain wunderbar im Blick hat. So erblicke ich auch ad hoc mit dem ersten Bissen im Mund eine Frau, die einen Helm unter den einen Arm und ein Telefon unter`s Ohr geklemmt, französische Brocken in selbiges spuckt, während sie ihren anderen Arm schwenkt und mit grenzenloser Begeisterung auf unsere Tür zeigt. Die Person, für die diese Vorstellung gedacht ist, steht vermutlich oben an der Straße. Vor der Tür überlegt sie es sich doch noch einmal anders und stürzt lieber zur nächsten herein, um dort mit Anlauf Marijas Mutter über den Haufen zu rennen. Die alte Dame zuckt angewidert zusammen und schüttelt als Antwort auf jede Frage stur mit dem Kopf. 

Noch schmeckt mein Frühstück während ich die Szenerie fürstlich überblicke. Das angetrunkene Einhorn in mir jubelt: "Es ist nicht gepuhutzt! Sie kommt hier nicht reihein!" Nur die Ableger werden zusehends nervös und stellen unbequeme Fragen wie: "Und was ist, wenn ... ", die ich im Keim ersticke.




Kauend und die Natur im Blick wirke ich betont gelassen, als das französisch sprechende Wesen hektisch unser Terrain wieder verlässt. Doch dann erblicke ich Marijas Sohn, der beflissen Hilfsbereitschaft signalisiert und den Helm unterm Arm und Mann und Maus mit Gepäck im Gefolge alle eifrig einwinkt. 

Jetzt ist es an mir, in Hektik zu verfallen. Im Stillen rede ich vor mich hin: Er will nur das Gepäck unterstellen ... Er will einfach nur ihr Gepäck unterstellen ... und stürze zurück ins nachbarliche Bad. Dort nehme ich eine Art Gebetshaltung an und versuche die Maschine zum Anhalten zu bewegen. Mittels einer Programmänderung in einen simplen Schleudergang gelingt mir das auch. Während des Schleuderns kaue ich, bereits mit den Nerven völlig zu Fuß, abwechselnd an Finger- und Fußnägeln. Als die Waschmaschine endlich gedenkt, das Programm zu beenden, rupfe ich eilig die Wäsche aus der Trommel. Parallel dazu brüllt das Murmelkind, welches Posten am Eingang zur Wohnung bezogen hat: "MAMA, MACH SCHNELL!!! SIE KOMMEN!!"
Just als wir mit der Wäsche unterm Arm die Appartmenttür schließen, kommen die Herrschaften die Treppe herauf.  

Völlige Entspannung vorgaukelnd, stehe ich auf der Terasse, werfe lässig frisch gewaschene Kleidungsstücke zum Trocknen auf die Leine und raune dem Murmelkind zufrieden zu: "Jetzt können sie sich nicht erklären, wie der Weichspüler in die Maschine kommt ... aber sie freuen sich bestimmt darüber."
Der Flummi schlägt sich kommentarlos mit der flachen Hand an die Stirn. (Für Nicht-Fachkreise: bei einem Pubertier werte man so etwas bitte als Beifall!) 


Zu meiner Ehrenrettung sei erwähnt, diese Geschichte habe ich später bei einem lauschigen Dinner Marija gebeichtet und sie fand sie wunderbarerweise tatsächlich sehr erheiternd. Wer diese kleine Powerfrau einmal selbst kennenlernen möchte, suche bitte in Dubrovnik nach den Appartments Estrella.

Fotos: gesammelte Werke aus Kroatien von Ichnicht  (Packt schon wieder Koffer. Er ist so einfach zu begeistern!)