Donnerstag, 5. Februar 2015

Die fremde Frau

Manchmal ist es ja sehr niedlich: Schulaufführungen der eigenen Brut.
Aber grundsätzlich treten sie komprimiert auf. In verschiedenen Schulen sucht man sich  immer dieselbe Woche, wenn nicht sogar denselben Tag für diese Art Veranstaltung aus. In solchen Momenten bin ich froh, dass ich nur zwei Kinder habe. Eltern von Großfamilien müssen sich da wahrscheinlich klonen und vierteilen, um mit Tränen der Rührung bei jedem ihrer Sprösslinge im Publikum  sitzen zu können.

Diese Woche ist so eine. Erst Theateraufführung vom Flummi dann Singsang vom Chor der Murmel. Meinen Flummi nehme ich zum Singsang der Murmel mit. Wir sitzen in der letzten Reihe und lauschen dem schrägen Gesang des Chores. Die Kinder singen von Männern mit Bärten, die Jan und Hein und Pit heißen und Piraten, die nicht die Hosen voll haben. Als die Stelle mit den vollen Hosen heran ist, blickt die Murmel den Flummi an, und beide schütten sich vor Lachen aus. Er neben mir. Sie auf der Bühne. Murmelkind kann nicht mehr aufhören zu lachen und dreht sich demonstrativ zur Seite, blickt wild im Raum umher, starrt dann letztendlich das Treppengeländer an, bis der Lachkrampf vorüber ist und sie wieder in den immer schräger werdenden Gesang einstimmen kann. Jetzt kann sie ihren Bruder wieder ansehen und ihre Lippen formen stumm: „Hör auf!!“


Ich ramme meinen Ellenbogen in Flummis Seite und tadle ihn mit Blicken. Worauf er mich ankichert: „Ich mach doch gar nix … sie hat angefangen zu lachen!“ Das wiederholt sich ungefähr drei bis fünf Mal. Dann ist die Aufführung endlich vorbei.

Die Murmel wird instruiert, ihre restlichen Sachen aus der Klasse zu holen. Darunter eine angeschmuddelte Jeansshort, mit der sie am Vortag in die Schule ging und die aus unerfindlichen Gründen ihren Weg in den Turnbeutel fand.

Blöderweise hatte ich parallel zum einsetzenden Regen die Wahnsinnsidee, die Strecke zur Schule zu Fuß zu laufen. Und für den Heimweg hat sich die Regenmenge, die jetzt fällt, mal locker verdoppelt. Mistkacka! Ich hadere mit dem Wetter, denn als unter dem Sternzeichen Lockenschaf Geborene, hat Regen in meinen mühevoll glatt gefönten Haaren besser nix zu suchen. Denn hinterher sehe ich  aus, wie … genau! ...  wie ein Lockenschaf!

Aber irgendwie müssen wir ja nach Hause kommen. Also setze ich mir unter Protest meiner Ableger kurzerhand die Jeans auf den Kopf. Nun können wir gehen.
Die Murmel skandiert: „Mama! Das ist voll peinlich! Jetzt kenn ich dich nicht mehr! Jetzt bist du einfach nur eine fremde Frau!“
Der Flummi unterstützt sie: „Es reicht ja wohl, wenn der Papa peinliche Sachen macht!“
Heimlich freue ich mich schon auf Details. „So? Was macht denn der Papa für peinliche Sachen?“
Die Murmel: „Das weiß ich jetzt auch nicht mehr.“
Der Flummi: „Hab ich auch vergessen.“
Ausgerechnet jetzt sind sie sich einig.

Wir steuern auf eine Ampel zu. Die Murmel bremst mich. „Mama! Es ist rot!“
Flummi kichert: „Du meinst wohl: Fremde Frau, es ist rot!“
„Ach ja. Ich kenn dich ja gar nicht. Und mit Fremden darf ich ja auch gar nicht reden.“, spricht die Murmel, wechselt die Straßenseite und flitzt den restlichen Weg nach Hause voraus. Selbst der Flummi kann ihr kaum folgen. Mit der Shorts auf dem Kopf eile ich der einen oder anderen Pfütze ausweichend hinterher.

Zu Hause angekommen prüfe ich das Haupthaar der fremden Frau im Spiegel und muss feststellen, dass das eine Hosenbein definitiv nicht ganz dicht war. Ich sehe aus, als hätte man mir am rechten Oberkopf ein Stück Schaf transplantiert.
Mit Auto wär´ das nicht passiert.

Foto: Ichnicht (bringt mir fix eine Haarbürste ... manchmal hab ich ihn schon ein bisschen lieb)

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