Freitag, 14. Juli 2017

Durst-Digga!

Es ist eine dieser abendlichen Wir-decken-den-Tisch-Situationen. Die Murmel taucht quirlig in der Küche auf und ich sage: "Hey ... Du solltest doch Besteck hinlegen!"
Sie brabbelt vor sich hin: "Ich ... aber Durst, Digga!"
Ich kontere: "Nenn misch nisch Digga, Alda! Isch bin nisch digg! Isch bin nisch ma durst-digg!"
Das Murmelkind rollt sich vor Lachen auf der Küchenzeile.
Ich lege nach: "Gugst Du! Bin isch digg?"
"MAMA! Ich hab das gar nicht so gesagt! Ich hab gesagt, dass ich durstig bin! Und jetzt hör auf so zu reden!"
"Ey, Alda! Du hast angefangen. Du hast gesagt bin isch digg!"
"Hab ich GAR NICHT!" kugelt es sich immer noch.
Na gut. Ich könnte mich natürlich auch verhört haben. 

Und jetzt glauben Sie, ich sei albern?


Foto: Ichnicht  (Eigentlich sollte er die Blumen gießen!)

Dienstag, 4. Juli 2017

G(nervt)20

Es klingelt an der Bürotür. Warum macht hier niemand auf? Missmutig übernehme ich den Job.
"Moin."
Vor mir steht ein kleiner Mann, der mich angrinst: "Moin. Wird gleich laut." 
Möchte eigentlich fragen, ob komplette Sätze heute bereits zur Mittagsstunde aus sind, entscheide mich dann aber für ein in Fragezeichenfalten gelegtes Gesicht und ein: "Worum geht es?"
"Wir testen hier und es wird gleich laut."
"WAS testen Sie?"
"Die Alarmanlagen."
"Ach, Sie sind hier der Lärmveranstalter! Ich dachte schon, das hätte jetzt auch mit diesem unsäglichen G-20-Müll zu tun. Haben  Sie Ohrenschützer für die Belegschaft dabei?"
"Nein."
Ich lasse ihn stehen und möchte die Kollegen warnen. Als ich in der Tür vom alten Schweden gerade eine Warnung artikuliere, geht der Lärm auch schon los. Hätte er ja auch mal warten können!, denke ich so bei mir und halte mir die Ohren zu. 

Ich bin genervt. Grundsätzlich genervt. Dieser Tumult in der Stadt. Dieses Überangebot an Polizei. Nein, das ist nicht beruhigend, sondern im Gegenteil, diese Überpräsenz macht nervös. 

Kolonnen von Mannschaftsbussen reisen täglich durch die Stadt. Mit Blaulicht. Warum, wissen sie wahrscheinlich nicht mal selbst. Und sie legen Teile des Verkehrs lahm. Brav wartet man gefühlte zweiundzwanzig Grünphasen an Ampeln, bis der Tross vorbei ist und fühlt sich fremdbestimmt.

Seit einer Woche stehen Polizeibusse im Stadtpark und die Beamten starren auf eine leere Wiese, auf der wahlweise eine Gruppe Erwachsene Golfabschläge übt oder ein paar Schüler anlässlich ihres Sommerfestes grillen. Auf dem Rest wächst das Gras friedlich vor sich hin.

Das Gericht entscheidet, dass in Hamburg zu Protestzwecken gecampt werden darf, die Polizeit entscheidet dagegen und baut Zelte eigenhändig unter Tränengasbenutzung wieder ab. 

Der saudische König reserviert das beste Hotel am Platz, das "Vier Jahreszeiten", es werden Wände darin versetzt und Panzerglasscheiben eingebaut. Ein Plätzchen für den Thron wird gelassen. Als alles fertig ist, sagt er ab. Vielleicht liegt es ja daran, dass es Probleme mit der Einreise seiner zwanzig Kamele zur Versorgung mit Frischmilch gab. Wer weiß das schon so genau. Der König schickt den Finanzminister. Der hat es jetzt auch nett dort.

Was zum Henker soll das alles? 
Das war doch wohl eine absolute Schnapsidee, den bekloppten Gipfel, von dem man nicht mal weiß, was er letzlich bringen wird -auch für Hamburg-, hier zu gestalten. Von der einst so schönen Stadt, werden sie nichts sehen, die hohen Herrschaften, und falls sie sich doch mal fußläufig in die Innenstadt begeben, was ich höchst bezweifle, werden sie holzvernagelte Fensterscheiben mit Werbeplakaten vorfinden, Protestler mit und ohne kriminelle Energie, vielleicht noch ein paar hartgesottene Ladenbesitzer und Touristen aber das Gros der normalen Stadtbevölkerung wird woanders sein, viele Büros und Geschäfte geschlossen.

Gewarnt vom G8 in Heiligendamm, werde ich mir meine Ableger schnappen und an die Ostsee verschwinden. Damals ist dort alles außer Rand und Band gewesen. Polizisten jagten Demonstranten über Gartengrundstücke unbescholtener Bürger hinweg, Hubschrauber standen tagsüber stundenlang in der Luft, um das Geschehen von oben aus gut im Blick zu haben und mein Mutter heulte am Ende des Tages nur noch. Keine Nerven mehr für irgendwas. 


Eigentlich bin ich gerne an der Ostsee, aber nur, wenn ich entscheide dort sein zu wollen und nicht aus einer Art Flucht heraus. Diese Veranstaltung fühlt sich an, als würde sie aus mir wieder einen Bürger zweiter Klasse machen, weil mein Bewegungsradius innerhalb von gewissen Schutzzonen oder Sicherzeitsgürteln ist. War ich schon mal, damals in der DDR, muss ich nicht nochmal. 

Ich setze mich an meinen Platz. Der kleine Mann reißt noch einmal die Bürotür auf, brüllt etwas, das ich nicht verstehe und findet alleine hinaus. Als der Lärm endlich verebbt, nehme  ich die Hände von den Ohren und seufsze tief. Morgen noch. Und dann habe ich ein langes Wochenende. Auch schön!


Foto: Ichnicht  (Vor Langeweile macht er jetzt schon Fotos von unserer Bürotür, ich sollte den armen Wicht nicht immer mit herschleifen.  Das Original ist hier zu finden.)