Wenn
einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen. Wenn einer eine Reise mit
Kleinkindern macht … braucht er mitunter nicht vorhandene Kondition.
Sommerzeit,
Urlaubszeit …
In unserem Fall beendet und wir befinden uns bereits auf der
Rückreise nach erquickenden drei Wochen Mallorca in privater Obhut. Aus
Kostengründen fliegen wir Ryanair, also jene Fluggesellschaft, die nur
Holzklasse ohne Platzkarten verkauft. Für Priority Boarding kann man einen
Aufschlag von ein paar Euronen zahlen und sich dann in die Schlange drängeln,
die zuerst in den Flieger durchgewunken wird. Da diese Schlange im Laufe der
Zeit immer länger geworden ist, macht das auch nicht mehr wirklich Sinn. Und
wenn man dann auch noch im Bus über das Rollfeld kutschiert wird, ist dieses
Unterfangen völlig hirnrissig.
Ich
schlendere wie eine Entenmami mit zwei kleinen watschelnden Küken im Schlepptau
über den riesigen Flughafen von Palma, immer dicht an den Futterangeboten
vorbei. Hin und wieder blicke ich mich um und prüfe, ob noch alle hübsch in der
Reihe laufen und lauere auf den ersten Schrei der Küken nach Nahrung.
Und da ist er auch schon: „Mama, ich hab Hunger!“
Also halten wir. Es gibt völlig
überteuerte Käsebaguettes. Die kann man bei Nichtverzehr auch gut mit in die
Holzklasse nehmen. Das Essen, welches sie dort servieren, ist eh nicht genieß- und bezahlbar.
Nach
kurzer Pause machen wir uns dann in erprobter Formation, Entenmami vorweg, auf
den Weg zum Gate. Dort angekommen stellen wir uns schnell vorne in die Reihe
ohne Priority-Aufschlag und warten auf das Boarding. So können wir einigermaßen
sicher sein, drei Plätze nebeneinander zu ergattern.
Just
als das Boarding beginnt, fällt mir auf, dass mein Flummi auf einmal keinen
Rucksack mehr hat. „Wo, bitte, ist eigentlich dein Rucksack?“
Der
kleine Kerl hebt hilflos die Schultern und ich kann sehen, wie es hinter seiner
Stirn anfängt zu rattern. Er hat ihn abgenommen, als wir die Baguettes angekaut
haben! Ich zucke ratlos die Schultern und frage meinen Flummi: „Und nu?“
Als
hätte er jetzt die ultimative Idee auf Lager. Ich sehe, dass sich seine Augen
mit Wasser füllen und arbeite im Geiste fieberhaft an einem Plan, während wir
die Maschine besteigen. Sein alles geliebter Miezer ist in dem Rucksack. Er
kann nicht ohne ihn schlafen. Das geht nicht … das geht so nicht!
Flink
stopfe ich die Kinder in eine freie Reihe, befehle ihnen, sich nicht zu rühren
und stürze hektisch aus dem Flugzeug. Verdutzten Stewardessen schleudere ich
entgegen, ich wäre gleich wieder zurück und sie sollten um Gotteswillen unter
keinen aber auch GAR KEINEN Umständen ohne mich fliegen. Dann rase ich los … in
Flip Flops … quer über den ganzen Flughafen Palmas.
Erwähnte
ich bereits? Ich hasse Joggen! Wenn der liebe Gott gewollt hätte, das ich mir die Hacken abrenne, hätte ich doppelt so lange Beine. Aber heute laufe ich. Das gleichmäßige laute
Klatschen meiner Sohlen auf den Steinboden des Flughafens ist mein Rhythmus. Ich
laufe … laufe … laufe. An zur Seite spritzenden Reisenden vorbei. An Shops. Über
Laufbänder. Bis ich zu der Stelle komme, an der wir vor einigen Minuten noch
saßen. Natürlich ist da kein Rucksack mehr. Ich stehe schweißgebadet und nach
Luft ringend da und starre ungläubig auf die leere Bank. Dann drängle ich mich
kurzentschlossen an der Kasse vor und
radebreche in Spanglish mein Begehr. Die Dame an der Kasse ist so freundlich,
jemanden zu rufen, der vielleicht wissen könnte, ob … Und dieser Jemand weiß
tatsächlich, verschwindet allerdings in spanischer Ruhe hinter den Kulissen, um
nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich es schaffe, aus Nervosität vollständig alle Finger-
und Fußnägel abzukauen, mit dem Rucksack wieder aufzutauchen.
Wieder
füllt das Klatschen meiner Sohlen die Gänge des Flughafens. Ich laufe … laufe …
remple … entschuldige mich ... laufe … und stürze völlig außer Atem in den Flieger, der natürlich nur
noch auf mich wartet. Hinter mir fliegt die Tür zu. Hey! Mein T-Shirt ist eingeklemmt! Tür wieder auf. Loch im Shirt. Mistkacka! Die Stewardess guckt angestrengt auf das, was ihre Finger tun und bemüht sich mein T-Shirt zu ignorieren. Olle Zippe!
Dann sehe ich eine
Menschentraube um eine Sitzreihe. Alle reden durcheinander, sichtlich bemüht
dabei beruhigend mit dem Kopf zu nicken. Wie eine Horde Wackeldackel. Als sie mich sehen, entspinnt sich
ein Kanon: „Ja … da ist ja die Mama schon ... Ja, die Mama ist ja da!“ Ich kann gerade noch widerstehen, mit einzustimmen, kämpfe mich durch und sehe
meine völlig in Tränen aufgelösten Flöhe, die sich ängstlich in die Polster
drücken. Auf Ansage der T-Shirt-Mörderin verläuft sich die Menschentraube im Nu. Kurze Wege im Flugzeug machen es möglich. Meine beiden Flöhe recken ihre Ärmchen in die Luft und hängen -zack- wie Koalabären
an mir. Eigentlich bräuchten wir jetzt nur noch einen Sitz.
Für die Zukunft:
Nach
dieser Erfahrung trägt keines meiner Kinder mehr einen Rucksack über einen
Flughafen. Wir nehmen jeder einen Hackenporsche. Die sind groß genug,
dass es bestimmt auffällt, wenn eines dieser Teile verschwindet. Und ich werde auch gewiss nicht wieder in Flip Flops reisen ... man weiß ja nie.
Fotos: Ichnicht (schielt argwöhnisch auf meine Fußnägel ... Er glaubt aber auch alles!)