Dienstag, 25. September 2018

Manchmal trage ich Bart

Mein Murmelkind richtet bereits seit ein paar Wochen ihre Garderobe auf den Herbst aus. Man trägt dieses Jahr High Waste Jeans und Sweater, wie ich sie bereits als Teenie in den 80ern trug. Jeden Tag, den sie so gedresst das Haus verlässt, zitiere ich die vertrauenswürdigsten Meteorologen mit Temperaturen zwischen zweiundzwanzig und achtundzwanzig Grad und frage sie, ob das nicht zu warm werden könnte und was bitte sie tragen möchte, wenn der Winter vor dem Haus steht und ungehalten an der Hecke rüttelt. Mit einer Einhorngeste zerstreut sie alle Bedenken und springt fröhlich die Treppe hinab. Um diese Tageszeit bin ich einfach zu müde, um von Erfolg gekrönte Diskussionen vom Zaun zu brechen. Ich brauche erstmal eine Dusche, um die Metamorphose zum vollwertigen Menschen einzuläuten. 

Doch dann, der Sommer ist ein ungewöhnlich langer und heißer, gerade an diesem Wochenende allerdings nimmt er seinen Hut, schüttelt noch einmal ein paar Rosenblüten aus seinem Baströckchen, setzt sich eine letzte Biene auf seine Schulter und lenkt seine großen, bedächtigen aber bestimmten Schritte auf die Wiese Richtung Süden vor der großen Stadt, dreht sich noch einmal um und wünscht den winkenden Eichhörnchen Glück für den Winter. Herr Trump und Frau Merkel wissen, sie werden es brauchen.

Ab jetzt zeigt der Herbst sein zotteliges, verwehtes Gesicht und schaut unter unwirsch unter vermosten Augenbrauen in die Welt. Ich denke morgens auf dem Rad an Handschuhe und mein Murmelkind hüllt sich nachmittags in der Wohnung in einen bodenlangen Schal und zelebriert ein Zähneklappern, an dem jeder Zahnarzt seine Freude hätte. Als ich abends meinen durchgefrorenen Ableger unter Decken im Bett verstaue, fragt sie mich: "Muss ich morgen eigentlich eine Winterjacke anziehen?"
"Waaaassss? Wir haben gerade mal Herbst!"
Ich untermale meine Rede pantomimisch und meine: "Ich habe so soooo Fransen am Mund ... ich habe nahezu einen Bart! Wie oft habe ich dich gefragt, wenn du dich voll verpackt bei siebenundachtundsechsundzwanzig Grad vom Hof gemacht hast, was du denn bitte im Winter tragen möchtest und prophezeit, dass du frieren wirst? Ich habe immer dasselbe geredet! ... blah ... blahblah ... blahblah!"


"Mama, sag mal ´affnkacknscheissncool´!"
"???"
"Ja, sag mal ´affnkacknscheissncool´!"
"Warum?"
"Sag mal!"
"Affnkacknscheissncool. Die Affen kacken und scheissen und sehen dabei auch noch cool aus? Danke, jetzt habe ich seltsame Bilder im Kopf, die ich so nicht will! Warum musste ich das jetzt?"
"Jetzt hast du was neues gesagt. Du hast doch gesagt, du sagst immer dasselbe. Und das jetzt war neu.", spricht es und grinst feierlich. 

Punkt, Satz und Sieg für die kleine Lady zwischen den Kissen! Die Plüschbären im Raum johlen, fordern die vergessenen Barbies zum Tanz auf und alle anderen Bewohner des Zimmers applaudieren stehend bis zum Morgengrauen. Ich hoffe, sie kann trotzdem irgendwann schlafen. 

Danke Gott oder wem auch immer für diese Kinder. 

Foto:  Ichnicht (schmeißt eine Runde nach der anderen für die tanzende Meute) 

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