Freitag, 6. Juni 2014

Bulgarische Knastaufseher



Damals … und jetzt meine ich wieder ganz damals ... als wir kleinen grünen Mädels beschlossen hatten, die DDR ohne zu fragen zu verlassen und als wir eines schönen sonnigen Tages an der bulgarischen Grenze geschnappt wurden ... landeten wir in Sofia in einem Gefängnis der dortigen Staatssicherheit.
Wie sich später herausstellte, hatte man sich dort im Sommer `89 auf Flüchtlinge aus der DDR spezialisiert … man sammelte sie, bis man einen Flieger zum Rücktransport komplett befüllen konnte.
Wir waren lediglich drei Wochen Gast dieser heimeligen Unterkunft.

Die Zelle, die wir Teenagegirls uns teilten, war ca. vier Quadratmeter, hatte kein Fenster und vor dem Podest, auf dem Matratzen lagen, war ein schmaler Gang. Dort standen Wasserkanister und Pinkeleimer. Über der Tür, die mit einem Spion ausgestattet war, hing hinter einem Gitter eine Glühlampe. Tagsüber lasen wir Mark Twain oder irgendwelche rote Schundliteratur und unsere Ernährung bestand vornehmlich aus Wasser und Brot mit Marmelade... eine sehr effektive Diät, wie ich fand.

Jeden Morgen flog die Tür auf und wir wurden, mit Pinkeleimer und Kanister im Gepäck, Wechselunterhose und Zahnbürste bewaffnet, zu einem Waschraum geführt. Dort befüllten bzw. entleerten wir ersteres wahlweise, wechselten unsere Unterhosen und wuschen sie mit Kernseife. 
Geistesgegenwärtig hatten wir auch noch unsere Zahnbürsten aus dem Gepäck gerissen, als man uns dieses abnahm. So konnten wir uns hygienisch wenigstens einigermaßen in Schuss halten. Anders als andere Insassen dieses Etablissements.

Hin und wieder vergaßen wir den Pinkeleimer, was dann zu hysterischem Gegacker führte … Himmel, was waren wir einfach zu erheitern! ... und ziemlichem Gestank für die nächsten vierundzwanzig Stunden. Ich hatte einmal den Fehler gemacht und war umgedreht, um den Eimer zu holen und diese Idee hatte mich um meine wohlverdiente Morgentoilette gebracht. Dann wählte ich doch lieber den Gestank … roch man eh nach einer Weile nicht mehr.

Der Waschraum war anscheinend eine Sehenswürdigkeit, denn die Eingangstür war voll verglast und es standen drei Stühle davor, die, sobald wir im Waschraum waren, voll besetzt wurden: Jeden Tag drei andere Heinis, in Uniform gestopft und mit Schlagstock versehen, die sich an der Tür die Nase platt drückten.

Glücklicherweise gab es hinter dem Raum mit den drei Waschbecken noch ein separiertes Eckchen, in dem sich die Dusche befand …davor eine weitere Tür … milchverglast. Was auch wirklich nötig war … denn es war Sommer, ziemlich heiß und die Dusche für uns die einzige Erfrischung des Tages.

Dass den Schlagstockheinis vor der Tür nicht gefiel, dass wir die hintere Tür zum Duschen schlossen, klingt jetzt irgendwie logisch.
So wurden unsere morgendlichen Duschaktionen zum täglichen Zankapfel zwischen ihnen und uns. Mal war die Tür angebunden und wir fummelten sie wieder los … mal war der Wasserhahn in der Dusche abgeschraubt, so dass wir einen von den Waschbecken entfernen mussten, um die Dusche wieder funktionstüchtig zu kriegen. Und jedes Mal flippten die Herrschaften schier aus und trommelten mit ihren Stöckchen gegen die Tür, dass wir dachten, gleich würden sie die Scheibe einschlagen.

Seltsamerweise haben sie sich nie in den Waschraum getraut … uns nie auch nur ein Haar gekrümmt.
Vielleicht war es unsere grenzenlose Naivität und Dreistigkeit, die uns vor Schaden bewahrte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir zu dritt waren … oder tro tz aller Umstände albern, wie Mädels es in dem Alter nun mal sind und damit einen gewissen Unterhaltungswert hatten.
Auf jeden Fall hatten wir, rückblickend betrachtet, verdammt viel Glück in den Sommermonaten dieses geschichtsträchtigen Jahres.

„Nach Aussagen ehemaliger bulgarischer Grenzoffiziere, die die bulgarische Zeitschrift "Anti" schon Anfang 1993 veröffentlichte, zahlte die DDR-Botschaft in Sofia bulgarischen Grenzern für jeden getöteten DDR-Flüchtling eine Prämie in Höhe von 2000 Lewa, damals umgerechnet etwa 1000 D-Mark - im bettelarmen Bulgarien ein kleines Vermögen…"
...nachzulesen im Spiegel Online

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