Im
neunten Monat der Schwangerschaft war es ... als ich nach Berlin zog. Ich war neu
in der Stadt, kannte quasi niemanden. Außer
der Bäckersfrau und dem Postboten vielleicht.
Foto: Ichnicht
Dort
schlüpfte mein Flummi und ich bemühte mich, ein soziales kindgerechtes Netz
für uns zu stricken. Für dieses Thema war im letzten Monat der Schwangerschaft
weder Zeit noch Lust übrig. Da baut man frau einfach nur ein Nest und kauft die
erste Babyausstattung. Die sich übrigens später als völlig nutzlos erweisen
wird.
Nun
gestaltete sich mein Vorhaben in einer Stadt, in der Autos mit fetter
Aufschrift „Icke bin Berliner, ick darf ditte!“ um die Ecken knallen, etwas
schwierig. In
etwa so, wie wenn man mit Kinderwagen in ein Kaufhaus möchte. Aus
Hamburg kannte ich: Gehe durch die Tür, drehe dich um, ob nach dir noch jemand
kommt und halte die Tür auf. Berlin
korrigierte mich: Drehe dich nicht um und knalle die Tür mit Schwung hinter dir
zu.
Mitten
in dieser Lektion steckte ich dann eines Tages mit Kinderwagen in der einen und
frisch gekauftem Mülleimer in der anderen Hand in ebensolcher Tür fest. Für Tage.
Was
soll ich sagen … wir sind noch am Leben.
Aber
ich verzieh und glaubte an das Gute. Also meldete ich uns kurzerhand zu einem
PEKIP-Kurs an. Das so genannte Prager-Eltern-Kind-Programm. Inhalt wie folgt:
- das Baby in seiner momentanen Situation und seiner Entwicklung wahrzunehmen, zu begleiten und zu fördern;
- die Beziehung zwischen dem Baby und seinen Eltern zu stärken und zu vertiefen;
- die Eltern in ihrer Situation zu begleiten und den Erfahrungsaustausch sowie die Kontakte der Eltern untereinander zu fördern;
- dem Baby Kontakte zu Gleichaltrigen zu ermöglichen
Die Mütter … ja, es waren
damals nur Mütter … saßen im Kreis und das jeweilige Kind lag nackt vor seiner
Mama. Normalerweise wurde viel gesungen und die Kinder bekamen Anregungen in
Form von Bauklötzen, bunten Tüchern, kleinen Wasserstellen und ähnlichem. Aber
eigentlich waren die Mütter nur pausenlos damit beschäftigt, die Urinpfützen
des eigenen Nachwuchses wegzuputzen und sich bei den Nachbarmüttern zu
entschuldigen, die den Strahl volle Möhre abbekommen hatten.
Klingt nach
Birkenstockfraktion, was es irgendwie auch war und gipfelte für mich in der
Bemerkung einer Mitmutter: „Das Feng Shui hier ist irgendwie … ja, irgendwie
anders als zu Hause.“ Ich zog Mundwinkel und Schultern als Zeichen meines
Verständnisses synchron und müde gen Himmel, frustriert und fröstelnd meine Schlangenlederjacke enger um die Schulter, wischte mir die
Milchkotze von eben dieser, nahm mein Kind und stieg in meine Sitzschuhe. Ich
fühlte mich allein und fremd in dieser Stadt. Wann zum Henker würde meine Weiblichkeit hier vorfahren und mich endlich abholen. Ich wollte ja Mama sein. Aber doch nicht ein asexueller fengschuitauglicher Putzlappen ...
Gab es denn keine Mütter in meiner Kragenweite?
Gab es denn keine Mütter in meiner Kragenweite?
Foto: Ichnicht
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