Jetzt,
da die Schule wieder angefangen hat und ich morgens in der Küche stehe
und versuche, den geschmacklichen Nerv meiner Ableger bezüglich ihrer Pausenbrote zu treffen,
erinnere ich mich an die Zeit, als ich Kind war. Wir wohnten damals im Plattenbau
in einer Siedlung, die zu Rostock gehörte. Schulen und Kindergärten gab es
unweit, denn die Siedlung galt als modern und wurde bevölkert von jungen
Familien mit Kindern in rauen Mengen.
Das
morgendliche Ritual gestaltete sich wie folgt:
Unsere
Mutter weckte meine Schwester und mich immer morgens halb sieben. Meine
Schwester zeterte, weil sie sich zu spät geweckt fühlte. Ich verschwand mit
meinem Kopf unter dem Tisch, der vor meinem Bett stand und dämmerte so, vor der
elendig grellen Deckenlampe geschützt, vor mich hin. Zwischendurch stand die
verzweifelte Mami unzählige Male im Zimmer und versuchte mich zum Aufstehen zu
bewegen. Drei Minuten vor sieben gab ich nach und verließ meinen Federbettberg,
schlich zur Katzenwäsche und zur Zahnreinigung ins Bad, setzte mich an den
bereits gedeckten Frühstückstisch, den alle anderen schon wieder verlassen
hatten, und starrte abwechselnd auf mein Brot… Mischbrot mit Butter und
Marmelade…, zur Uhr und aus dem Fenster. Das Brot… ich hasste es!
Brötchen
oder Toast gab es zu meinem ausgesprochenen Leidwesen nur am Wochenende. So
gesund, das olle Brot!
Ich hätte es um die Uhrzeit allerdings auch mit Wurst oder Käse
gehasst. Das verkürzt den morgendlichen Speiseplan immens. Und einfach nix essen durfte ich
nicht. Immerhin hatte ich schon durchgesetzt, dass ich nur noch einen Apfel für
die Pause mitnahm. Zur Untermalung meines Wunsches hatte ich im Schulschrank
mehrfarbige Pilzkulturen auf einem meiner Pausenbrote gezogen. Also nörgelte
ich nicht weiter rum, sondern starrte stumm auf mein Brot…zur Uhr… zum Fenster…
und wartete.
Gegen
zehn nach sieben, wenn endlich alle vor mir das Haus verlassen hatten, kam
Bewegung in meine müden Glieder. Ich stürzte zur Balkontür, warf einen
prüfenden Blick nach unten und pfefferte mein Marmeladenbrot im hohen Bogen aus
dem vierten Stock, dabei bemüht, keine der streunenden Katzen zu treffen. So!
Nun konnte ich zur Schule rennen.
Nachmittags,
wenn ich von der Schule kam, warf ich einen prüfenden Blick auf den Rasen vor
dem Haus, um zu sehen, wie weit sich die Spatzen bereits an meinem verschmähten
Frühstück erquickt hatten. Meist war nur noch die Rinde zu sehen. Das völlige
Verschwinden meiner Missetat war also nur eine Frage der Zeit.
Mein
Magen hatte schon kurz nach der Einschulung klar gemacht, was mir nicht zu
kredenzen sei. Der Kakao …und Kakao war schon ein Kompromiss…, den ich morgens
trinken sollte, spie ich im hohen Bogen wieder aus. Nach diesem unschlagbaren
Argument meinerseits stellte meine Mutter um auf Muckefuck.
Ich
mag keine Milch… mochte ich noch nie und werde ich nie mögen. Im Kindergarten
bekam jeder seinen Becher warme Milch zum Frühstück. Ich saß bis zum Schluss da und hob eine Haut
nach der anderen aus der Milch. Die wurde immer kälter und ekliger. Und alle
anderen Kinder spielten schon längst, als ich inzwischen schon am Fensterbrett
stehend weiter meine Häute aus der Milch sortierte. Jetzt... so mit ein paar Jahrzehnten Abstand hab ich ziemliches Mitleid mit mir als Kind.
Dünne Kinder müssen keine Milch mögen…und auch nicht trinken müssen. Und überhaupt. Verhungert ist bei uns auch noch keiner freiwillig. Die Nachkriegsgeneration hat immer Angst gehabt, es würde nicht genug sein. Kann ihnen keiner verdenken. Meine Mutter schwärmt jetzt noch davon, wie es war als es in ihrer Kindheit mal Butter gab: „…es war soooo lecker… frisch gebackenes Brot und einfach nur dünn mit Butter bestrichen…“ Dementsprechend hat Essen bei ihr einen ganz anderen Stellenwert. Und weggeworfen wird auch nur, wenn gar nichts mehr geht.
Dünne Kinder müssen keine Milch mögen…und auch nicht trinken müssen. Und überhaupt. Verhungert ist bei uns auch noch keiner freiwillig. Die Nachkriegsgeneration hat immer Angst gehabt, es würde nicht genug sein. Kann ihnen keiner verdenken. Meine Mutter schwärmt jetzt noch davon, wie es war als es in ihrer Kindheit mal Butter gab: „…es war soooo lecker… frisch gebackenes Brot und einfach nur dünn mit Butter bestrichen…“ Dementsprechend hat Essen bei ihr einen ganz anderen Stellenwert. Und weggeworfen wird auch nur, wenn gar nichts mehr geht.
Es
ist heute noch so, dass ich in aller Frühe nix essen kann. Zwischen Aufstehen
und erster Mahlzeit müssen mindestens zwei Stunden liegen. Murmel und Flummi sind da ähnlich veranlagt. In der Schule war in der zweiten Klasse mal Thema, dass es arme Kinder gibt, die ohne Frühstück in die Schule gejagt werden. Mein Flummi resümierte gedanklich fix seinen Tagesablauf, fühlte sich ihnen zusortiert und sprach mit mir über das fehlende Frühstück am Morgen. Daraufhin schlug ich vor, ihn früher zu wecken und ihm ein solches zu servieren. Gut. Einverstanden. Am Abend beim Einschlafritual fragte ich ihn nach seinem Frühstückswunsch für den nächsten Tag. Da zog er dann doch etwas länger schlafen und erstes Frühstück in der Schule vor. Ende des Themas.
Im
Moment hat das Murmelkind die Frühstücksphase: Trocken Toast und sonst nix. Na
und? Soll sie doch. Die Murmel wird auch so groß. Mit trocken Toast… Salat…Möhrensticks...
Nudeln und separater Soße… sie isst ja auch noch andere Dinge. Und ich bin morgens schneller fertig... auch gut.
Foto: Ichnicht (Nimm sofort die Zunge von Murmels Teller!)
Schön geschrieben :-) Es is absolut nicht nötig, direkt nach dem Aufstehen Es ist nicht absolut nötig direkt ein opulentes Frühstück zu sich zu nehmen. Aber so ganz ohne Essen und Trinken den Tag zu starten ist auch nicht richtig. Der Körper muss am Morgen neue Kraft schöpfen und auftanken.
AntwortenLöschenmea culpa!
Löschenhabe mal fix deinen Kommentar aus dem Spam befreit.
Sorry!