Montag, 30. März 2015

Immer diese Montage …

Montags regieren bei uns nahtlos aneinander gereihte Termine und Hektik. Jeden Montag. Mein Flummi ist heute mal ausnahmsweise pünktlich zu Hause und ich stehe bereits in den Startlöchern. 
Flummi untern Arm und ab, die Murmel im Schweinsgalopp einsammeln.
Wie immer parke ich, sagen wir mal halblegal, unweit der Schule und schicke den Flummi, seine Schwester zu holen. Es dauert nicht lange, da erscheint er wieder in meinem Blickfeld … allerdings ohne die Murmel ... dafür schulterzuckend.
Ich steige aus dem Auto und höre: „Ich finde sie nicht…!“
„Wie? … Du findest sie nicht?“
Ich beschließe notwendigerweise, mich an der Suche nach der Murmel zu beteiligen und parke das Auto etwas gründlicher.

Währenddessen hat der Flummi die Murmel gefunden, kommt mir entgegen und meint: „Ich weiß jetzt, wo sie ist … aber ihr fehlt ein Stiefel.“
Bitte? Ich hätte da mal ein paar Fragezeichen im Angebot …
Auf dem Weg zu ihrer Klasse sehe ich meine Murmel, die mir mit einem Hausschuh und einem Stiefel entgegen kommt, eine Klassenlehrerin, die irgendetwas zwischen genervt und resignierend an die Wand gelehnt die Augen verdreht und noch zwei oder drei andere Menschen, die wie nach Ostereiern suchend, die Flure entlang springen, wahlweise den einen oder anderen Spind aufreißen oder am Boden unter Bänke krabbeln.

Es entspinnt sich ein lustiger Dialog, während die Murmel vor mir herhumpelt. Zwei verschiedene Schuhe sind offensichtlich wie eine Verletzung zu behandeln.
Die Lehrerin: „Ihr Stiefel ist weg.“
Ich: „Warum ist der weg?“
Die Lehrerin: „Wissen wir auch nicht. Aber wir haben schon überall gesucht.“
Ich: „Ist der wirklich weg oder einfach nur versteckt worden?“

Es gibt da so einen Jungen, dessen Name bei meiner Murmel immer wieder Thema ist. Felix ist nämlich der Murmelnerver schlechthin. Er ärgert sie immer und auch die Mädchen, mit denen sie gerade spielt. Mit anderen Worten: Er mag sie!
Und da er es so geschickt anstellt, ihr dieses zu zeigen, äußert sich die Wertschätzung dessen aus Murmels Mund in folgender Form: „Felix ist ein Arsch!“

Nun gut, ihr ein Bein zu stellen, so dass sie lang hinschlägt und mit der Nase bremst, ist wahrscheinlich weniger schlau. Da helfen auch meine Interventionen á la: „Er mag dich eben und weiß nicht, wie er es dir zeigen soll. Weil … Jungs in dem Alter finden Mädchen normalerweise doof und ein Mädchen zu mögen ist uncool. Er sucht auf diese Weise deine Nähe. Willst du ihn vielleicht mal einladen?“ rein gar nichts.
„Ich mag ihn aber nicht! Er soll aufhören, mich zu ärgern! … Und er ist ein Arsch!“
Okay. Dann muss er es eben auf die harte Tour lernen. Ich bin raus.

Und jetzt stehe ich unter Zeitdruck vor meiner Murmel mit zwei unterschiedlichen Schuhen und möchte fragen: „Wo hat Felix, der Arsch, verdammt noch mal, den Stiefel versteckt?!“
Die Antwort naht in Gestalt einer Lehrerin aus Felixens Klasse, die energisch mit Stiefel in der Hand aus der Toilette weht und vor sich hin wettert: „Ich wusste es! Ich wusste doch, dass … und dabei haben wir doch die ganze Zeit aufgepasst, damit er das nicht macht!“
„Wo war der Stiefel? Und WER WAR DAS?“ formuliere ich betont langsam die Frage. „FELIX???“
Sie hält inne, bemerkt mich als fremdes Gesicht zwischen ihren Kolleginnen und winkt ab. „Neinein! Ich kann mir zwar denken, wer das war … aber Felix war das nicht.“
Ah ja. Versteh schon. Der kleine Datenschutz.
„Der Stiefel war im Papierkorb in der Toilette.“ spricht´s und hebt hilflos die Schultern.

Während unter den Anwesenden eine Debatte losgeht, wer schon dreimal im Klo gesucht und nichts gefunden hat, beuge ich  mich zur Murmel und raune ihr ins Ohr: „Was glaubst du, wer das sonst noch gewesen sein könnte?“
Sie raunt zurück: „Vielleicht noch sein Freund Benno. Der macht immer mit beim Ärgern.“
„Sonst noch jemand?“
Sie schüttelt den Kopf.

Es wird also Zeit für eine kleine Ansprache. Ich baue mich auf dem Flur vor dem kleinen Lehrerkollegium auf und referiere, wenn diese Art Aufmerksamkeitsgeheische gegenüber meiner Tochter nicht aufhören sollte, würde ich mir den Kollegen Streithahn selbst einmal vorknöpfen. Dann eilen wir vom Hof. Natürlich nicht, ohne uns für den spontanen Einsatz des Suchtrupps zu bedanken. So viel Zeit muss sein.

Am nächsten Tag erzählt mir die Murmel, dass mein Referat Wirkung gezeigt hat. Sie wären in der Klasse von Felix gewesen und er hätte Order bekommen, die Murmel ab jetzt in Ruhe zu lassen. Sonst würde ich mich einschalten.
Aha.

Eine Woche später ist Murmels Geburtstag. Ein Montag.
Ich trage circa dreihundert Muffins hinter ihr in die Schule. Wir sind wieder mal zu spät.
„Wo sind deine Hausschuhe?“
„Wenn sie nicht hier sind … dann in meinem Spind.“
Ihr Spind ist natürlich leer. Ich rolle mit den Augen und gemeinsam mit den Muffins in die Klasse, vermelde das Fehlen der Schuhe … und muss weg.
Heute fehlt mir der Nerv für Suche und Debatten.


Am Nachmittag berichtet die Murmel vom Auftauchen der Hausschuhe in einer anderen Klasse und erzählt mit stolz geschwellter Brust und breitem Grinsen im Gesicht: „Als ich Felix heute gesagt hat, dass du mich abholen kommst, ist er ganz schnell abgehauen.“

Ich stehe vor dem Spiegel und posiere wie für die Wahl zu Miss Universum mit angewinkelten Armen, Fäuste nach oben. Chacka!
Er hat mich nie gesehen und kackt sich vor Angst in die Hose! Vor mir … einhundertfünfunsechzig Zentimetern Mama! Ich bin Herkuline!" 
Die Murmel kringelt sich …

Am Ende des Tages beschließe ich, dass er wahrscheinlich doch ein netter Kerl ist ... ein kleiner Kerl ... aber immerhin ein Kerl. 
Das erklärt per se einiges … 

Foto: Ichnicht (ist nach Lesen des Textes ein wenig beleidigt ... Kerl eben)

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