Dienstag, 20. Mai 2014

Der Grabscher


Als alleinerziehende Mutter von zwei winzig kleinen Kindern hat man es nicht einfach, im Berufsleben wieder Fuß zu fassen. Besonders, wenn man einen Job hatte, der mit Kindern so gar nicht zu vereinbaren ist. Also… alles zurück auf Anfang und Ausprobieren.

Lieber Gott… ich lese immer dieselbe Anzeige im Hamburger Abendblatt… ist das ein Zeichen?
DANN sollten wir uns doch mal darauf bewerben… Hamburger Edel-Schuhladen sucht Verstärkung… Edel-Schuhe - check! Ich bin doch ein Mächen… Nähe Jungfernstieg - check! Das ist nicht so weit weg... Arbeitszeiten – blöd! Ich werde Hilfe brauchen…
Egal… anrufen kost´ nix.

Was auch immer mich geritten hatte, ich fuhr mit Inlinern zum Vorstellungsgespräch. Und legte mich natürlich auch prompt einige Meter vor den Toren zum Schuhhimmel auf die Nase. Auch das noch... kein gutes Zeichen? Ich wechselte meine Schuhe und humpelte ins Geschäft.
Oha… hübsche junge Verkäuferinnen, aber alle mit taxierenden Blicken: Wer hat hier das nötige Kleingeld um Jimmy Choo, Prada, Balenciaga, Dior und Konsorten zu bezahlen und wer kommt nur zum Staunen und ist keiner Bedienung würdig?

Um es kurz zu machen, ich bekam den Job und reihte mich in die Riege der Damen im Schwarz-Weiß Dresscode ein. Mein erster Arbeitstag wurde damit gekrönt, dass der Chef auch anwesend war. Nur… er ignorierte mich… kein „Hallo“…kein „Herzlich Willkommen“… nix… nada. 
Nun gut… in meiner Welt gehört so was zu den Basics des guten Benehmens… aber… muss ja nicht. Dann brachte ich eben mal den Berg zum Propheten und stellte mich namentlich und persönlich vor seinen Schreibtisch. War er wohl nicht ganz so gewohnt… wirkte etwas irritiert… seltsam. Und noch etwas war ziemlich seltsam… die Mädels fielen ihm fast ausnahmslos alle um den Hals und küssten ihn auf den Mund. Hielt der Typ sich hier einen Harem?

Seine Zurückhaltung mir gegenüber hielt exakt zwei Tage… bis zu dem Augenblick als ich in den Keller musste, in dem er gerade unterwegs war, um ein größenmäßig passendes Paar Schuhe zu holen. Blöd! Rechts und links türmten sich die Regale und in der Mitte musste man sich quasi Bauch an Bauch aneinander vorbei drücken. Also konnte er ja gar nicht anders, als mit riesigen Schritten und ausgestreckter Hand auf mich zuzueilen: „Hallo… wie geht es uns denn heute?“ Ich prustete los: „Ich weiß zwar nicht, wie es Ihnen geht… aber mir geht es hervorragend!“ Nach seiner Reaktion auf meine flapsige Antwort, gefror mir dann allerdings jede Fröhlichkeit im Gesicht. Er griff mir nämlich schäkernd in die Seite und raunte mir „Du kleines freches Stück!“ ins Ohr.
Ich war einigermaßen fassungslos. Ich hatte begriffen: ich sollte mit in seinen Harem.
NÖ!

Ab da machte ich einen Bogen um diesen Menschen, was… wie man sich vorstellen kann… das Ende meiner Karriere im Edel-Schuhtempel war. Ich war nicht traurig darüber. Was bleibt, ist die Verwunderung darüber, was Menschen...besser diese jungen Damen... mit sich machen lassen (Alice würde böse schimpfen!) und die Erkenntnis, dass Anzeigen, die ständig wieder geschaltet werden definitiv kein gutes Zeichen sind!

Und überhaupt... wer braucht schon Zeichen? 


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