Mittwoch, 11. Juni 2014

Babyblues

Um mich herum schlüpfen momentan in rauen Mengen neue Erdenbürger… soll heißen: Die Welt ist voller angestrengter Damen mit abnehmenden Bäuchen, die dabei sind zu lernen, wie man eigentlich Mutter ist.  

Der mütterliche Körper ist in den ersten Wochen ziemlich hormongebeutelt und stellt von partieller Wohngelegenheit auf Milchbar um. Was für ein Zustand! Frau fühlt sich zwischen grenzenlosem Babyglück und weltschmerzlicher Traurigkeit hin und her gerissen. Bei manchen artet das etwas schlimmer aus… aber das wollen wir hier besser nicht vertiefen.

Mein Flummi war damals Zwoeinviertel Jahre alt und sehr scheu. Knapp vor Niederkunft meines zweiten Kindes hatte ich ihn in einer Kita eingewöhnt, was völlig für den Allerwertesten war, denn nachdem meine Tochter da war, konnte ich mit dem ganzen Spaß wieder von vorne anfangen.

So schleppte ich mich denn, mit nur spärlich verheilter Fleischwunde im Unterbauch, beiden Kindern unterm Arm und einem kreiselnden Hormonspiegel im Gepäck, morgens pünktlich zum Frühstück in die Kita.
Glücklicherweise schlief mein Neugeborenes gefühlte dreiundzwanzigeinhalb Stunden am Tag. Also konnte ich mich voll und ganz der anstehenden Eingewöhnung widmen, die sich wie folgt gestaltete:

An einer Zwergen-Tafel zwischen zwölf anderen Zwergen in seinem Alter auf einem Zwergen-Stühlchen sollte er sitzen.
Allerdings… nur mein Flummi sollte sitzen… für Mama war kein Platz… das war schon mal voll blöd und Grund für ihn, gleich wieder zu gehen. Hatte ihm ja das erste Mal auch schon nicht gefallen. Wo nochmal hatten wir die Schuhe hingestellt?
“Halt! Hiergeblieben!“ fing ich ihn wieder ein.

Jeder Zwerg hatte einen eigenen Teller und auch bereits ein kleines Messer vor der Nase. Auf dem Tisch standen Brot, Butter und jede Menge gesundes Zeug. Also jetzt auch noch selbst das Brot schmieren und belegen… welch Herausforderung! Das Messer segelte zu Boden. Dann doch lieber die kleinen Ärmchen um Mamas Hals schlingen und hoffen, erlöst zu werden.

Ich vergrub meine Nase kurz in seinem kleinen Hals... er duftete so gut! Dann biss ich die Zähne zusammen, hockte mich hinter sein Zwergen-Stühlchen und half ihm, Butterflöckchen auf seinem Zwergen-Brot zu verteilen. Es kullerten die ersten Tränen. 
Und was machte ich? Ich heulte mit!  
So heulten wir im Duett… er auf sein Brot und ich auf sein Stühlchen, hinter dem ich mich versteckte, damit er nicht sah, dass in meinem Gesicht gerade die Welt unterging. In diesem derangierten Zustand, war ich doch keine Hilfe! Und eigentlich war doch auch überhaupt nix los! Blöder Babyblues!

Die Erzieherinnen sahen mich mitleidig an, machten mimisch und gestisch klar,  dass sie an mütterliche Auftritte dieser Art gewöhnt wären und ich jetzt gehen könne. Sie würden mit der Situation schon zurechtkommen.
Sie walteten nach meinem tränenreichen Abgang so effektiv ihres Amtes, dass mein Flummi sich am nächsten Tag schon fast auf seine neuen Freunde freute.


Nach ein paar Tagen war ich hormonell wieder halbwegs hergestellt…zumindest gewannen die Hormone aus der Abteilung Milchbar die Oberhand… das sind die, die bei all dem neuen Stress eine langsamere Gangart lehren, einen so herrlich in Watte packen und geduldig machen, wie man es nie wieder sein wird.
Also Mädels… genießt den Zustand!
Und Jungs… sie können einfach nix dafür!

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