Freitag, 23. Mai 2014

Kulturschock



Bezirksleiterin war ich… für eine kleine Modekette… wobei das schon übertrieben ist… Der gute Mann hatte sechs oder sieben Boutiquen… wobei… das ist auch übertrieben… wenn man die Qualität bedenkt, die da in den Regalen lag oder darunter hing.

Der Inhaber, Herr S., war türkischer Nationalität, was für mich als gebürtige Ossibraut einmal mehr gewöhnungsbedürftig war. Aber im Großen und Ganzen kamen wir ganz gut miteinander zurecht.

Herr S. ließ seine Hosen mit Gummizug für die reifere Dame und modische Pullover in Stonewash-Optik in seinem Heimatland produzieren. Das ging in etwa so vonstatten, dass er in sein Telefon brüllte, was er gerne hätte und am anderen Ende ein Mitglied seiner endlos großen Familie, dies versuchte in die Tat und Muster umzusetzen. Dieses Muster galt es dann geschickt dem Herrn S. zuzuspielen, um herauszufinden ob es sich lohnte, in Massenproduktion zu gehen. Denn reife Damen gibt es in und um Hamburg viele. 
Und hier begann die wirkliche Herausforderung… auch für mich.

Ein anderes Mitglied seiner endlos großen Familie, welches er nicht angebrüllt hatte und deshalb noch guten Willens und voller Hilfsbereitschaft war, wurde dazu verdonnert, am Flughafen in Istanbul harmlos aussehende Leute mit Reiseziel Hamburg anzusprechen und ihnen das Muster in die Hand zu drücken mit dem Versprechen, sie würden in Hamburg wieder davon befreit.

Herr S. rekrutierte der Einfachheit halber mich für die Botenfahrten: Muster abholen. Wofür hat man schließlich Angestellte. 
Ich fuhr also von Lübeck aus zum Hamburger Flughafen… wenn´s gut lief mitten am Tag… ich sollte dort mit dem Firmenlogo in der Hand eine Person am Flughafen abfangen. Im besten Falle hatte ich eine Mobilnummer, die das gutmütige Mitglied dem willigen Kurier vorher entlockt hatte…im schlechtesten wusste ich nicht mal ob ich auf Mann oder Frau treffen würde.

In diesem speziellen Fall hatte ich sogar eine Telefonnummer… die ich erstmal nicht nutzte… sondern ich wartete brav mit meinem Schild in der Hand. Als sich offensichtlich nahezu alle Passagiere des Fluges aus Istanbul in alle Himmelsrichtungen verstreut hatten, wurde ich langsam unruhig und erwog dann doch mal die Nummer anzurufen... wohl wissend: Das wird jetzt kompliziert.
Am anderen Ende meldete sich ein türkisch sprechender Herr, der mich zwar verstand aber sich nicht wirklich deutsch artikulieren konnte. Nach einigem Hin und Her hatte ich begriffen, dass er bereits zu Hause war… oder zumindest dort, wo er erwartet wurde… was ihn allem Anschein nach sehr glücklich machte, mich aber ein wenig aus dem Konzept brachte… denn da wo er war, war auch mein Muster.
Mistkacka!

Also blieb mir nix anderes übrig, als ihn durch den Hörer anzubrüllen, wie denn die Adresse wäre und dass ich gleich käme… (Bemerkung: Warum brüllt man eigentlich jemanden an, der offensichtlich ein Sprachproblem aber keines mit den Ohren hat?)
Ich fuhr also abends um zehn einmal quer durch die Stadt, um im Erdgeschoss eines Altonaer Altbaus vor einer Tür zu stehen, die von gefühlten 30 freundlich dreinblickenden Personen geöffnet wurde, von denen nur ein Kind der deutschen Sprache mächtig war und mir höflich Gastfreundschaft und Tee anbot… was ich natürlich ebenso höflich mit Verweis auf die Uhrzeit ablehnte. Daraufhin wurde mir ohne Umschweife mein Muster ausgehändigt und stolz wie Bolle über meine Errungenschaft fuhr ich in meinen wohlverdienten Feierabend und fragte mich:
Wie zum Henker passen so viele Leute in eine kleine  Wohnung unter einer Treppe und sehen auch noch fröhlich dabei aus?

2 Kommentare:

  1. Die Art der Stimmung kommt darauf an, wo sie vorher gelebt haben....

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  2. Warum hat Köln in einigen Veedeln wohl so eine hohe Einwohnerdichte? ;-)

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