Montag, 30. März 2015

Immer diese Montage …

Montags regieren bei uns nahtlos aneinander gereihte Termine und Hektik. Jeden Montag. Mein Flummi ist heute mal ausnahmsweise pünktlich zu Hause und ich stehe bereits in den Startlöchern. 
Flummi untern Arm und ab, die Murmel im Schweinsgalopp einsammeln.
Wie immer parke ich, sagen wir mal halblegal, unweit der Schule und schicke den Flummi, seine Schwester zu holen. Es dauert nicht lange, da erscheint er wieder in meinem Blickfeld … allerdings ohne die Murmel ... dafür schulterzuckend.
Ich steige aus dem Auto und höre: „Ich finde sie nicht…!“
„Wie? … Du findest sie nicht?“
Ich beschließe notwendigerweise, mich an der Suche nach der Murmel zu beteiligen und parke das Auto etwas gründlicher.

Währenddessen hat der Flummi die Murmel gefunden, kommt mir entgegen und meint: „Ich weiß jetzt, wo sie ist … aber ihr fehlt ein Stiefel.“
Bitte? Ich hätte da mal ein paar Fragezeichen im Angebot …
Auf dem Weg zu ihrer Klasse sehe ich meine Murmel, die mir mit einem Hausschuh und einem Stiefel entgegen kommt, eine Klassenlehrerin, die irgendetwas zwischen genervt und resignierend an die Wand gelehnt die Augen verdreht und noch zwei oder drei andere Menschen, die wie nach Ostereiern suchend, die Flure entlang springen, wahlweise den einen oder anderen Spind aufreißen oder am Boden unter Bänke krabbeln.

Es entspinnt sich ein lustiger Dialog, während die Murmel vor mir herhumpelt. Zwei verschiedene Schuhe sind offensichtlich wie eine Verletzung zu behandeln.
Die Lehrerin: „Ihr Stiefel ist weg.“
Ich: „Warum ist der weg?“
Die Lehrerin: „Wissen wir auch nicht. Aber wir haben schon überall gesucht.“
Ich: „Ist der wirklich weg oder einfach nur versteckt worden?“

Es gibt da so einen Jungen, dessen Name bei meiner Murmel immer wieder Thema ist. Felix ist nämlich der Murmelnerver schlechthin. Er ärgert sie immer und auch die Mädchen, mit denen sie gerade spielt. Mit anderen Worten: Er mag sie!
Und da er es so geschickt anstellt, ihr dieses zu zeigen, äußert sich die Wertschätzung dessen aus Murmels Mund in folgender Form: „Felix ist ein Arsch!“

Nun gut, ihr ein Bein zu stellen, so dass sie lang hinschlägt und mit der Nase bremst, ist wahrscheinlich weniger schlau. Da helfen auch meine Interventionen á la: „Er mag dich eben und weiß nicht, wie er es dir zeigen soll. Weil … Jungs in dem Alter finden Mädchen normalerweise doof und ein Mädchen zu mögen ist uncool. Er sucht auf diese Weise deine Nähe. Willst du ihn vielleicht mal einladen?“ rein gar nichts.
„Ich mag ihn aber nicht! Er soll aufhören, mich zu ärgern! … Und er ist ein Arsch!“
Okay. Dann muss er es eben auf die harte Tour lernen. Ich bin raus.

Und jetzt stehe ich unter Zeitdruck vor meiner Murmel mit zwei unterschiedlichen Schuhen und möchte fragen: „Wo hat Felix, der Arsch, verdammt noch mal, den Stiefel versteckt?!“
Die Antwort naht in Gestalt einer Lehrerin aus Felixens Klasse, die energisch mit Stiefel in der Hand aus der Toilette weht und vor sich hin wettert: „Ich wusste es! Ich wusste doch, dass … und dabei haben wir doch die ganze Zeit aufgepasst, damit er das nicht macht!“
„Wo war der Stiefel? Und WER WAR DAS?“ formuliere ich betont langsam die Frage. „FELIX???“
Sie hält inne, bemerkt mich als fremdes Gesicht zwischen ihren Kolleginnen und winkt ab. „Neinein! Ich kann mir zwar denken, wer das war … aber Felix war das nicht.“
Ah ja. Versteh schon. Der kleine Datenschutz.
„Der Stiefel war im Papierkorb in der Toilette.“ spricht´s und hebt hilflos die Schultern.

Während unter den Anwesenden eine Debatte losgeht, wer schon dreimal im Klo gesucht und nichts gefunden hat, beuge ich  mich zur Murmel und raune ihr ins Ohr: „Was glaubst du, wer das sonst noch gewesen sein könnte?“
Sie raunt zurück: „Vielleicht noch sein Freund Benno. Der macht immer mit beim Ärgern.“
„Sonst noch jemand?“
Sie schüttelt den Kopf.

Es wird also Zeit für eine kleine Ansprache. Ich baue mich auf dem Flur vor dem kleinen Lehrerkollegium auf und referiere, wenn diese Art Aufmerksamkeitsgeheische gegenüber meiner Tochter nicht aufhören sollte, würde ich mir den Kollegen Streithahn selbst einmal vorknöpfen. Dann eilen wir vom Hof. Natürlich nicht, ohne uns für den spontanen Einsatz des Suchtrupps zu bedanken. So viel Zeit muss sein.

Am nächsten Tag erzählt mir die Murmel, dass mein Referat Wirkung gezeigt hat. Sie wären in der Klasse von Felix gewesen und er hätte Order bekommen, die Murmel ab jetzt in Ruhe zu lassen. Sonst würde ich mich einschalten.
Aha.

Eine Woche später ist Murmels Geburtstag. Ein Montag.
Ich trage circa dreihundert Muffins hinter ihr in die Schule. Wir sind wieder mal zu spät.
„Wo sind deine Hausschuhe?“
„Wenn sie nicht hier sind … dann in meinem Spind.“
Ihr Spind ist natürlich leer. Ich rolle mit den Augen und gemeinsam mit den Muffins in die Klasse, vermelde das Fehlen der Schuhe … und muss weg.
Heute fehlt mir der Nerv für Suche und Debatten.


Am Nachmittag berichtet die Murmel vom Auftauchen der Hausschuhe in einer anderen Klasse und erzählt mit stolz geschwellter Brust und breitem Grinsen im Gesicht: „Als ich Felix heute gesagt hat, dass du mich abholen kommst, ist er ganz schnell abgehauen.“

Ich stehe vor dem Spiegel und posiere wie für die Wahl zu Miss Universum mit angewinkelten Armen, Fäuste nach oben. Chacka!
Er hat mich nie gesehen und kackt sich vor Angst in die Hose! Vor mir … einhundertfünfunsechzig Zentimetern Mama! Ich bin Herkuline!" 
Die Murmel kringelt sich …

Am Ende des Tages beschließe ich, dass er wahrscheinlich doch ein netter Kerl ist ... ein kleiner Kerl ... aber immerhin ein Kerl. 
Das erklärt per se einiges … 

Foto: Ichnicht (ist nach Lesen des Textes ein wenig beleidigt ... Kerl eben)

Donnerstag, 19. März 2015

Drei – Zwei – Eins – Seins! ... und wieder meins!

Teil 1 gibt´s hier.

Es klingelt das Telefon.
"Kripo Hamburg, Lohse mein Name. Guten Tag. Mit wem spreche ich?"
Kurz saust mir das Herz in die Hose und ich krame fix in meinem schlechten Gewissen, kann aber nix finden und murmle artig meinen Namen.
Der Kripobeamte meint: "Es geht um die Fundunterschlagung." und räuspert sich. "Ja ... der Täter war gerade bei mir und lässt fragen, ob er Ihnen das Geld auch direkt überweisen kann..." 
Jetzt weiß ich, dass er von meinem vergessenen Geld im Automaten spricht. Bei der Titulierung "der Täter" bekomme ich doch glatt ein schlechtes Gewissen. Gelegenheit macht bekanntlich Diebe und "der Täter" hat sich bestimmt nichts wirklich böses dabei gedacht. 
Ich lache verlegen. "Nunja ... haha ... der Täter ... " 
Gehe aber nicht weiter darauf ein. Mir ist das alles irgendwie unangenehm. Ich verursache Aufwand. Aufwand, der in keinem Verhältnis zum eigentlichen Vorkommnis steht und habe permanent das Gefühl, ich müsste mich dafür entschuldigen. 

Der Herr Lohse möge die Angelegenheit bitte so einfach wie möglich gestalten, gebe ich zu verstehen. Ohne großen bürokratischen Aufwand. 
Bitte. 
Jetzt lacht der Herr Lohse verlegen. Und ich ich werde das Gefühl nicht los, dass "der Täter" ihm immer noch gegenüber sitzt. "Naja, wenn er mir jetzt das Geld gibt, dann muss wieder jemand darauf ein Auge haben, dass ich damit keinen Blödsinn mache ... haha ... "
Ich unterbreche ihn: "Ja, und das wollen wir ja nicht. Dann schreiben sie mal meine Kontodaten mit."
Macht er. 
Und bittet mich, ihn in zwei Tagen noch einmal zu kontaktieren, wenn ich auf mein Konto gesehen habe, ob die verlustig gegangenen Taler dort wieder eingetroffen sind. Ich nicke und bejahe. Dann legen wir auf. 

Wie besprochen belauere ich mein Konto. Und da! Schon nach einem Tag erkenne ich einen fremden Namen samt Einzahlung auf meinem Konto. 
Aber die Summe! Die Summe stimmt nicht!  Da sind zwanzig Euronen mehr vom "Täter" überwiesen worden. Und jetzt? Ist das ein Versehen? Oder eine Falle? Habe ich gerade fremdes Geld auf meinem Konto gefunden? Wenn ich es behalte, begehe ich dann ein Verbrechen? Fundunterschlagung? Fragen über Fragen ... 
HERR LOHSE!!!?

Herr Lohse weiß sofort, wer ihn anruft. 
Nachdem ich alle meine Bedenken geäußert habe, beruhigt er mich und meint, dass "der Täter" ein furchtbar schlechtes Gewissen hatte und ihm gegenüber auch schon androhte, so etwas in der Art als Entschädigung tun zu wollen. 

Ich bin, zumindest was mich betrifft, beruhigt und frage, wie es mit dem armen Mann denn jetzt weiter gehe. 
"Tja ... das geht jetzt über den Staatsanwalt."
"Kann man das nicht stoppen, wo er doch so einsichtig ist?"
"Nein. Das habe ich jetzt abgegeben und das läuft. Kann sein, dass es wegen Geringfügigkeit eingestellt wird. Aber das entscheidet der Staatsanwalt."
"Seine gute Tat würde jedenfalls dafür sprechen." sage ich und zucke mit den Schultern. 
Mehr kann ich nicht tun.

Ichnicht hat heute kein Foto für mich. Ist mit der überschüssigen Kohle shoppen. Der Wicht!

Montag, 16. März 2015

Igeline - Teil 2 oder So lebt eine Igelfrau

Teil 1 gibt´s hier.

Es ist bereits Abend, als die Igelfrau endlich mal ans Telefon geht. Sie ist bereits von der Dame vom Igelnotdienst informiert. Sie fragt sofort, ob der Igel im Stadtpark von einem Hund aus dem Winterschlaf geholt wurde, denn das würden die meisten Igel aus dem Stadtpark, die bei ihr landen. Bis vorhin dachte ich eigentlich, der Igel wäre nicht verletzt. Aber die kleine Blutspur auf dem Küchenpapier spricht eine andere Sprache. Ich sage, dass ich mir nicht sicher bin, weil da ein bisschen Blut ist.
„Dann kommen Sie mal her mit dem Igel.“

Bis eben hatten wir noch Hunger. Aber einstimmiger Beschluss: Jetzt fahren wir doch lieber vor dem Essen mit dem kleinen Patienten um die Häuser. 
Karton samt Igel geschnappt und los. 
„Der Igel fährt bei Flummi auf dem Schoß mit.“ ordne ich an und freue mich heimlich, dass es ausnahmsweise mal keine Diskussion bezüglich meiner Entscheidung gibt.
Mein Sohn hält den Karton vorsichtig umklammert und bittet darum, dass ich das Autoradio leiser stelle.
„Meinst du, dem Igel ist das zu laut?“ frage ich ihn.
„Nein. Aber mir!“
Also doch dem Igel, denke ich und drehe das Radio leise.

Es ist schon fast zwanzig Uhr, als wir bei der Igelfrau ankommen.
Oh! Eine Plattenbausiedlung!
Die lässt nicht unbedingt das vermuten, was wir suchen … aber finden. 
Wir klingeln und die Igelfrau öffnet uns die Tür einen Spalt weit, durch den wir gerade so in die Wohnung schlüpfen können. Mehr Platz ist nicht.

Hätte die Dame vom Igelnotdienst mich nicht vorgewarnt, hätten mich die Zustände Gegebenheiten in dieser Wohnung wahrscheinlich lang hinschlagen lassen. Obwohl … das wäre aus Platzmangel gar nicht gegangen.
Überall Kartons, in denen Pflege-Igel oder Papierstapel wohnen. Hinter den Igel-Kartons stehen Schränke und Regale auf deren freien Flächen Miniatur-Igel in allen Farben, Formen und Größen Platz finden. Dazwischen Wollmäuse aus Staub. An den Wänden Igel-Kalender und Igel-Bilder.
„Puh, Mama! Das stinkt hier aber …“ raunt mir meine Murmel ins Ohr. Ich nicke nur und flüstere: „Das sind hoffentlich nur die Igel.“

Die Igelfrau ist etwa Mitte sechzig, ziemlich rundlich und hat blondierte Haare, in denen vor kurzem noch Lockenwickler gesteckt haben müssen. Witzigerweise sind die Haare kompakt  zu einer Seite frisiert und stehen in Wellen vom Kopf ab. Mich erinnern sie stark an die Frisur einer Playmobilfigur und ich bin versucht, ihren Helm aus Haupthaar korrigierend um neunzig Grad zu drehen, kann mich aber gerade noch bremsen.

Nachdem die Igelfrau sicher ist, dass wir kurz vorher miteinander telefoniert haben und es sich um den Igel handelt, den sie erwartet, nimmt sie meinem Flummi den Karton ab, und fordert uns auf, ihr ins Badezimmer zu folgen. 
Das ist einfach. 
Mit einer halben Drehung um die eigene Achse tun wir ihr den Gefallen und stehen jetzt in Reihe in einen Türrahmen gequetscht. Wir sehen zu, wie sie auf dem Klodeckel Platz nimmt, ein Kissen auf ihrem Schoß platziert, ein Stück Küchenpapier darauf legt und sich unseren Igel mit geübter lederbeschuhter Hand zur Brust nimmt.  


„Igel stehen unter Naturschutz. Vor Mitte Mai können wir sie nicht wieder aussetzen. Vorher würden sie verhungern, weil sie da noch gar kein Futter finden. Es gibt eine Regel: Acht Tage, acht Grad … auch nachts, dann kann der Igel ausgewildert werden. Wusstet ihr, dass die Igel schon zu Zeiten der Dinosaurier gelebt haben?“ Fragt sie die Kinder, während sie mit einer Pinzette über den unteren Rücken des zusammengerollten Igels streicht und ihn so dazu bringt, sich wieder zu strecken. Jetzt ist zu sehen, dass unser Igel eine Igeline ist. Ihr Bauch nässt und die linke Pfote blutet etwas.

Die Igeline hat Bakterien auf der Haut und ist wahrscheinlich wach geworden, weil sie Schmerzen hat. Und als wäre das nicht genug, turnen überall Flöhe und Milben auf ihr herum. Wir lernen, dass diese aber allenfalls auf Hunde oder Katzen übergehen und keine Lust auf menschliches Blut haben. Ich kann also wieder aufhören, mich überall zu kratzen.

Ein flinker Griff in das Regal über der Igelfrau, das vor lauter Medikamenten und irgendwelchen Texturen aus allen Nähten platzt, fördert ein Insektizid in Puderform zu Tage, welches fix als Streifen auf dem Rücken der Igeline landet. Es vergeht keine halbe Minute und die Flöhe kippen völlig benebelt aus den Stacheln. Mit ihrer bereits zum Einsatz gekommenen Pinzette, sammelt sie die bekifften Tiere ein und versenkt sie in einem kleinen mit Alkohol gefüllten Glas. „Die Flöhe werden gesammelt und gehen nach Karlsruhe an Studenten. Es gibt ja heutzutage keine Flöhe mehr.“ werden wir informiert.
Aha.

Neben uns im Türrahmen klebt ein Badeplan für verschiedene Igel. Da wird wohl in Kürze auch unsere Igeline stehen. Medizinische Bäder im Kampf gegen ihre Infektion am Bauch. Entwurmt soll sie auch werden. Wenn die stachelige Dame dann wieder gesund ist … die Igelfrau blickt mich fragend an …
„Ja.“ sage ich. „Dann können wir die Igeline gerne wieder abholen und sie verbringt die restlichen Wochen bei uns.“ Die Igelfrau ist froh -immerhin ein Karton weniger- und meine Kinder glücklich.

In den Kartons um uns herum werden langsam die Igel mobil, wie wir hören dürfen. Und das Telefon klingelt jetzt pausenlos. Die Igelfrau wird bis morgen früh um acht mit ihren stacheligen Untermietern zu tun haben, bevor sie selbst erschöpft ins Bett sinkt.

Wir wissen unsere Igeline jedenfalls in den besten Händen und machen uns vom Hof. 

Foto: Ichnicht (immernoch  mit gesundem Abstand zum Stacheltier)

Fortsetzung gibt´s hier.

Freitag, 13. März 2015

Igeline - Teil 1 oder Wer will schon minigolfen?


Ferien im März. Und schönes Wetter.
Wir wagen heute doch tatsächlich den dritten Versuch zum Minigolf. Das erste Mal war es brechend voll, dann war geschlossen und heute, ja heute soll es endlich klappen. Meine Flöhe radeln fröhlich vor mir her. Die Sonne scheint. Ein gutes Ohmen, da bin ich mir ganz sicher.

Wir sind fast angekommen, da legt mein Flummi eine Vollbremsung ein und beugt sich zu einem rundlichen Etwas mitten auf dem Weg herunter.
„Mama, ein Igel!“ höre -offensichtlich nicht nur ich- ihn brüllen. 

Eine kleine Menschentraube bildet sich um uns und den Igel, der völlig verschlafen mitten auf dem Weg im Stadtpark hockt.
Eine Frau meint: „Es ist noch viel zu früh für Igel.“
Ein Mann: „Die wachen erst Ende März auf.“
Ich überschlage im Kopf… na gut, es ist jetzt Mitte März aber es war auch nicht mehr soooo kalt die letzten Tage. Vielleicht ist dieser Kollege ja tatsächlich etwas früh dran. Dann fallen mir all die freilaufenden Hunde ein, die bis jetzt unseren Weg kreuzten und ich beginne mich ernsthaft um das phlegmatische kleine Stacheltier zu meinen Füßen zu sorgen. Mit abgebissener Nase würde es nur noch halb so niedlich aussehen. 

Wieder die Frau, mit Blick auf meine Handschuhe, die ich trotz der zwölf Grad zum Radeln trage: „Ich würde ihn ja mitnehmen … aber wir sind nicht von hier.“
Ja … ich verstehe schon … der Ball ist bei mir.
Die Menschentraube begreift langsam, dass hier der Schwarze Peter, äh ... Igel gerade verteilt wird und löst sich auf.
„Komm Thorben-Hendrik! Ja, ja … ein Igel … lass uns weiter. Die Lara-Sophie möchte jetzt auf den Spielplatz ... da gibt´s auch Eis!“

Plötzlich sind alle weg. 
Die Frau ist noch da. Sie ist ja nicht von hier. Sie darf schlau reden und den Igel mit ihrem Telefon fotografieren. Sie kann ja nicht helfen. Und ist offensichtlich sehr erleichtert deswegen.
„Ihr Fahrradkorb ist doch perfekt. Und zu Hause den Igel vielleicht in einen Karton … und ein Schälchen Milch hineinstellen?“
„Von Milch bekommt ein Igel Durchfall!“ entfährt es mir. Ich nehme mein Telefon und frage eine bekannte Suchmaschine nach Igelstationen. 
"... Okay. Ist jetzt nicht sooo weit weg. Minigolf fällt wieder aus und wir nehmen den Igel in Flummis Fahrradkorb mit nach Hause. Dann sehen wir weiter." murmele ich vor mich hin. Die Kinder strahlen. Minigolf ist doch mal kackfurzegal. Jetzt retten wir Igel!

Beherzt hebe ich den Igel in den Korb und mein Flummi fährt die vorsichtigste Fahrt seines Lebens, um jede Bodenwelle einen riesigen Schlenker. Murmel als Navigator voraus, ich, pausenlos in den Korb starrend hinterher.  Wir diskutieren während der Fahrt über Futter für unser Findelkind. Darüber, dass es ja jetzt noch keine Schnecken oder Würmer gibt und fragen uns, ob ein Igel nicht auch Äpfel frisst. Das würde zumindest, was den Speiseplan angeht, einiges erleichtern. 


Zu hause angekommen, suchen die Murmel und ich einen Karton, den wir mit Küchenpapier auspolstern, während der Flummi den Igel im Fahrradkorb bewacht.
Ich ziehe noch ein paar Gartenhandschuhe über meine Handschuhe – so ein Igel ist doch schon arg stachelig –, betrachte die zusammengerollte Kugel in meiner Hand und sehe das eine oder andere Insekt auf seinem Gesicht und seinen Ohren umher huschen. Brrrrrrrrrrrrrr…. Flöhe? Milben? Mit Ameisen haben diese Tiere jedenfalls wenig Ähnlichkeit. Und ein Geruch! So ein kleines Wildtier kann schon ganz schön stinken. Oder ist er krank und stinkt deshalb? Um die Aufregung in diesem Hause nicht ausufern zu lassen, verteile ich Aufgaben. Mein Flummi soll nach Igelfutter und Parasiten auf seinem Laptop suchen und die Murmel ist damit beschäftigt, Gott und die Welt über unseren Mitbewohner zu informieren. Währendessen kann ich denken und entscheide mich für einen Anruf beim Igel-Nottelefon.

Die Dame am anderen Ende überschüttet mich sofort mit Fragen. Ob der Igel hustet beispielsweise, ob er blutet, oder stinkt … Nun ja, da gibt es wahrscheinlich unterschiedliche Wahrnehmungen. Ob er eine „Hungerfalte“ hat, wie viel er wiegt … Ähm … Moment! Ich knalle die Küchenwaage auf den Esstisch und stelle Igel samt Karton darauf, subtrahiere gefühlte zweihundert Gramm des Kartons und komme auf ein schmales Ergebnis von fünfhundertfünfzig Gramm. In meiner Welt ist es noch ein ziemlich junger Igel. Ob ich damit richtig liege, weiß ich natürlich nicht. Fakt ist, er stellt sich selbst zum Weiterschlafen gerne auf alle Viere. Das ist gut, wie ich lerne. Nur sehr kranke Igel liegen ständig auf der Seite. Glück gehabt. Ich kann mit unerfahrenem Auge keine Defekte an diesem kleinen Gesellen feststellen. Ob wir dann gleich mal zu ihr fahren können, frage ich. Nein. Sie wäre nur der telefonische Notdienst. In Hamburg gäbe es eine Auffangstation. Eine „Igelfrau“. Sie lebt seit 40 Jahren mit und für die Igel. Sie gibt mir die Telefonnummer der Igelfrau und bietet weiterhin ihre telefonische Hilfe an. Ich bin dankbar.

Den Rest des Tages versuche ich die Igelfrau zu erreichen. Vorerst zwecklos. Irgendwie muss ich aber mich und die Kinder beschäftigen. Sonst drehen wir UND der Igel durch. Der will nämlich eigentlich immer nur schlafen und nicht alle zwei Minuten seinen Kartondeckel gelüftet wissen. Also gehen wir erstmal Katzenfutter kaufen, wie uns die Dame am Telefon geheißen hat. Ohne Soße und ohne Gelee. Gar nicht so einfach. Fast in jedem Katzenfutter ist Soße oder Gelee. Soße und Gelee enthalten Stoffe, die es den faulen Stubentigern ohne Bewegung erleichtern sollen, sich auf dem Katzenklo zu entleeren. Igel können das weniger brauchen. Mit nur einer Darmschlinge neigen sie doch eher zu Flitzkacke.  

Wieder zu hause, stürzen wir zu dritt natürlich sofort zum Igel … und ich entdecke Blut und ein klebriges Sekret auf dem Küchenpapier im Igelkarton. Jetzt mache ich mir doch etwas mehr Sorgen.

Die Igelfrau! Wir brauchen jetzt dringend das Urteil der  Igelfrau!

Fortsetzung hier.

Foto: Ichnicht (immer mit gesundem Abstand zum Stacheltier)

Donnerstag, 5. März 2015

Glückliches Gratin

Zugegeben ... ich neige dazu, alles zu vertier- oder auch vermenschlichen. 
Jedes Kuscheltier ist in der Lage, sich mit allen Pfoten am Kopf zu kratzen und macht dazu passende Geräusche. Jeder Socken, in den man die Hand stecken kann, wird zum Leben erweckt und hat eine Meinung. Ich spreche mit Blumen ... und sie mit mir ...  

Und so ist es denn wohl eher wenig verwunderlich, wenn meine Murmel sich vor den Ofen setzt und meint: „Ich les´ dem Gratin mal was vor, damit es auch gelingt.“


Ich habe das Gratin nach der Rückkehr aus dem Ofen befragt. Es war begeistert vom Sams, erster Teil. Insbesondere vom Showdown in Frau Rotkohls Küche. Wer hätte nicht gerne einen eigenen Eisbären vor dem Fenster auf einem Haufen Schnee sitzen. 

Foto: Ichnicht (sitzt mit Messer und Gabel bewaffnet bereits erwartungsvoll am Tisch ... gierig wie immer)